VW-Abgasskandal: Keine Verjährung der Schadenersatzansprüche vor 2022 – LG Bayreuth 41 O 416/20

Schadenersatzansprüche im VW-Abgasskandal bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 lassen sich nach wie vor durchsetzen. Das Landgericht Bayreuth hat mit bemerkenswertem Urteil vom 23. November 2020 entschieden, dass die Schadenersatzansprüche eines VW-Käufers nicht verjährt sind und eine Verjährung auch nicht vor Ende 2022 eintritt (Az.:  41 O 416/20).

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„Nach Überzeugung des Landgerichts Bayreuth hat der Kläger erst im Jahr 2019 nach einem entsprechenden BGH-Beschluss überhaupt Kenntnis von seinem Anspruch erhalten. Damit läuft die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist erst Ende 2022 ab. Für geschädigte Käufer eines VW, Audi, Seat oder Skoda mit dem Dieselmotor EA 189 bedeutet dies, dass sie immer noch Schadensersatzansprüche geltend machen können. Da VW keine Rechtsmittel eingelegt hat, ist das Urteil des LG Bayreuth inzwischen rechtskräftig“, sagt Rechtsanwalt Dr. Dr. Christian Lorbach, der das Urteil erstritten hat.

Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Sein Mandant hatte im Jahr 2011 einen VW Tiguan 2.0 TDI als Neuwagen zu einem Preis von 34.000 Euro gekauft. In dem Fahrzeug steckt der durch den Dieselskandal bekannt gewordene Motor des Typs EA 189 bei dem die Abgaswerte manipuliert wurden. Der BGH hat hier am 25. Mai 2020 entschieden, dass sich VW bei diesen Fahrzeugen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung schadenersatzpflichtig gemacht hat (Az.: VI ZR 252/19).

Das LG Bayreuth folgte der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sprach dem Kläger Schadenersatz zu. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs habe er Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen knapp 64.000 Kilometer. Unterm Strich erhält der Kläger noch rund 25.300 Euro.

Verjährungsfrist erst 2019 durch BGH-Beschluss in Lauf gesetzt

Das LG Bayreuth ließ auch die von VW erhobene Einrede der Verjährung nicht gelten. Zwar seien die Abgasmanipulationen im Herbst 2015 durch die Medienberichterstattung bekannt geworden und auch VW selbst habe darüber informiert. Dass damit jedoch auch Schadenersatzansprüche der geschädigten Käufer gegen VW vorliegen und eine Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, habe aus den Mitteilungen nicht geschlossen werden können, so das LG Bayreuth. Zumal VW das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung stets bestritten habe.

Der BGH habe in dieser Frage erst mit Beschluss vom 8. Januar 2019 für Klarheit gesorgt und das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die einen Mangel darstellt, bestätigt (Az.: VIII ZR 225/17). Erst damit sei für die Käufer klar geworden, dass ein Sachgrund für Schadenersatzansprüche vorliegt. Vor dem BGH-Beschluss sei dieser Anspruch nicht hinreichend erkennbar gewesen, führte das LG Bayreuth weiter aus. „Mit anderen Worten haben die geschädigten Käufer erst 2019 Kenntnis von ihren Schadenersatzansprüchen erlangt. Verjährung tritt damit nicht vor Ende 2022 ein“, erklärt Rechtswalt Dr. Dr. Lorbach.

Schadenersatz nach § 852 BGB

Zudem stellte das Gericht klar, dass selbst nach Eintritt der Verjährung immer noch ein Anspruch auf Restschadenersatz nach § 852 BGB bestehe.

Der BGH hatte Ende 2020 zwar geurteilt, dass die Schadensersatzansprüche beim EA 189 verjährt seien (Az.: VI ZR 739/20). Allerdings hatte der Kläger hier eingeräumt, dass es bereits im Herbst 2015 Kenntnis von seinen Ansprüchen hatte. Daher ist die Verjährung in diesem Einzelfall zum 1. Januar 2019 eingetreten. „Dieser Fall ist allerdings untypisch für den Abgasskandal und lässt sich auf die meisten anderen Fälle nicht übertragen. Das hat auch der BGH eingeräumt. Zudem bleibt der Restschadenersatzanspruch nach § 852 BGB von einer möglichen Verjährung ohnehin unberührt“, so Rechtsanwalt Dr. Dr. Lorbach.

VW zieht Berufung zurück

Dass es sich lohnt, Schadenersatzansprüche im VW-Abgasskandal geltend zu machen, zeigt ein weiteres Urteil des LG Bayreuth, das Dr. Dr. Lorbach für eine Mandantin erstritten hat (Az.: 43 O 991/18).

Hier hatte die Klägerin einen VW Tiguan mit dem EA 189 zum Preis von ca. 41.000 Euro als Neuwagen gekauft. Nachdem die Abgasmanipulationen aufgeflogen waren, ließ sie das Software-Update zwar aufspielen, machte aber auch Schadenersatzansprüche geltend. Das LG Bayreuth gab der Klage weitgehend statt. VW habe die Typengenehmigung nur durch Täuschung erlangt. Ein Käufer dürfe aber davon ausgehen, dass ein Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Der Klägerin sei daher schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden, da sie den Pkw bei Kenntnis der Abgasmanipulationen nicht erworben hätte.

VW muss den Tiguan daher zurücknehmen und den Kaufpreis nach Abzug einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten. Da VW die Berufung vor dem OLG Bamberg inzwischen zurückgezogen hat (Az. 3 U 399/19) ist das Urteil des LG Bayreuth rechtskräftig.

EuGH urteilt verbraucherfreundlich

Die Urteile zeigen, dass es sich lohnt Schadenersatzansprüche im Abgasskandal geltend zu machen. Das gilt nicht nur für Fahrzeuge des VW-Konzerns mit dem Motor EA 189, sondern auch für Fahrzeuge mit dem Nachfolgemotor EA 288 oder mit den größeren Dieselmotoren ab 3 Litern Hubraum des Typs EA 896 bzw. EA 897. „Hier hat der EuGH mit seinem Urteil vom 17. Dezember 2020 für Rückenwind gesorgt. Er hat klargestellt, dass Abschalteinrichtungen inklusive der vielfach bei der Abgasreinigung verwendeten Thermofenster unzulässig sind. Dementsprechend können Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden“, so Dr. Dr. Lorbach, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.

Mehr Informationen zu Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal

 

 

 

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