Liegt eine wesentliche BeeintrÀchtigung des Nachbarn durch Zigarettenqualm vor, kann das Rauchen auf dem Balkon unter UmstÀnden verboten sein. Zumindest zu festgelegten Zeiten. Das entschied der Bundesgerichtshof am 16. Januar.
Hier einen Rechtsanwalt zu diesem Thema finden
Verbraucherschutz.tv kooperiert deutschlandweit mit vielen kompetenten RechtsanwÀlten auch aus Ihrer Region. Sie sind Anwalt und möchten hier veröffentlichen? Bitte Mail an usch@talking-text.de
Nachfolgend die Pressemitteilung des BGH:
Der – unter anderem fĂŒr BesitzschutzansprĂŒche zustĂ€ndige – V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter, der sich durch den von einem tiefer gelegenen Balkon aufsteigenden Zigarettenrauch im Gebrauch seiner Wohnung beeintrĂ€chtigt fĂŒhlt und zudem Gefahren fĂŒr seine Gesundheit durch sog. Passivrauchen befĂŒrchtet, von dem anderen Mieter verlangen kann, das Rauchen wĂ€hrend bestimmter Zeiten zu unterlassen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die KlĂ€ger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen ĂŒbereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen den Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des tĂ€glichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die KlĂ€ger fĂŒhlen sich als Nichtraucher durch den von dem Balkon aufsteigenden Tabakrauch gestört und verlangen deshalb von den Beklagten, das Rauchen auf dem Balkon wĂ€hrend bestimmter Stunden zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der KlĂ€ger zurĂŒckgewiesen. Die Vorinstanzen sind der Meinung, dass ein Rauchverbot mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschĂŒtzten Freiheit der LebensfĂŒhrung nicht vereinbar sei; diese schlieĂe die Entscheidung ein, unabhĂ€ngig von zeitlichen und mengenmĂ€Ăigen Vorgaben auf dem zur gemieteten Wohnung gehörenden Balkon zu rauchen.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurĂŒckverwiesen. Dabei hat er sich von folgenden ErwĂ€gungen leiten lassen:
1. Einem Mieter steht gegenĂŒber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch sog. Immissionen stört (zu diesen gehören LĂ€rm, GerĂŒche, RuĂ und eben auch Tabakrauch), grundsĂ€tzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Das gilt auch im VerhĂ€ltnis von Mietern untereinander. Der Abwehranspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen eines Mieters im VerhĂ€ltnis zu seinem Vermieter grundsĂ€tzlich zum vertragsgemĂ€Ăen Gebrauch der Wohnung gehört. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und seinem Vermieter rechtfertigen nicht die Störungen Dritter.
Der Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen BeeintrĂ€chtigungen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des sich gestört fĂŒhlenden Mieters nach dem Empfinden eines verstĂ€ndigen durchschnittlichen Menschen nicht als wesentliche BeeintrĂ€chtigung empfunden werden.
Liegt hingegen nach diesem MaĂstab eine als störend empfundene â also wesentliche â BeeintrĂ€chtigung vor, besteht der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschrĂ€nkt. Es kollidieren zwei grundrechtlich geschĂŒtzte Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden mĂŒssen. Einerseits steht dem Mieter das Recht auf eine von BelĂ€stigungen durch Tabakrauch freie Nutzung seiner Wohnung zu, anderseits hat der andere Mieter das Recht, seine Wohnung zur Verwirklichung seiner LebensbedĂŒrfnisse – zu denen auch das Rauchen gehört – zu nutzen. Das MaĂ des zulĂ€ssigen Gebrauchs und der hinzunehmenden BeeintrĂ€chtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen RĂŒcksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind ZeitrĂ€ume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeintrĂ€chtigt von RauchbelĂ€stigungen nutzen kann, wĂ€hrend dem anderen Mieter Zeiten einzurĂ€umen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die Bestimmung der konkreten ZeitrĂ€ume hĂ€ngt von den UmstĂ€nden des Einzelfalls ab.
2. Sollte die GeruchsbelĂ€stigung nur unwesentlich sein, kommt ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren fĂŒr die Gesundheit drohen.
Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher SchĂ€den begrĂŒnden, sind grundsĂ€tzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende BeeintrĂ€chtigung anzusehen. Bei der EinschĂ€tzung der GefĂ€hrlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch ist allerdings zu berĂŒcksichtigen, dass im Freien geraucht wird. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der LĂ€nder, die das Rauchen im Freien grundsĂ€tzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren fĂŒr die Gesundheit anderer einhergehen. Nur wenn es dem Mieter gelingt, diese Annahme zu erschĂŒttern, indem er nachweist, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer GesundheitsbeeintrĂ€chtigung besteht, wird eine wesentliche BeeintrĂ€chtigung vorliegen und deshalb eine Gebrauchsregelung getroffen werden mĂŒssen.
3. Die Sache war an das Landgericht zurĂŒckzuweisen, weil es bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Rauch auf dem Balkon der KlĂ€ger als störend wahrnehmbar ist oder – wenn das zu verneinen sein sollte – ob im konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen, wie die KlĂ€ger unter Hinweis auf eine Feinstaubmessung behaupten.
Urteil vom 16. Januar 2015 â V ZR 110/14
AG Rathenow, Urteil vom 6. September 2013Â – 4 C 300/13
LG Potsdam, Urteil vom 12. MĂ€rz 2014 – 1 S 31/14
Karlsruhe, den 16. Januar 2015
Pressestelle des Bundesgerichtshofs