Sie kommt einmal im Jahr, kann aber für eine sehr unliebsame Überraschung sorgen: die Strom-Jahresabrechnung. Immer wieder haben Rechtsanwälte und Verbraucherzentralen Fälle von falschen, überhöhten oder fehlerhaften Stromabrechnungen auf dem Tisch. Wie sollte sich ein Verbraucher verhalten, wenn ihm seine Stromrechnung unkorrekt erscheint?
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Falsch abgerechnete Stromrechnungen sind für den Verbraucher meist ein teures Problem.
Der Moment, in dem die Jahresabrechnung vom Energieversorger geöffnet wird, sorgt manchmal für ein böses Erwachen, vor allem, wenn eine saftige Nachforderung entstanden sein soll. Wenn Sie mit einer Rechnung konfrontiert werden, die Ihnen nicht plausibel erscheint, sollten Sie Ruhe bewahren. Es gilt, zuerst den Sachverhalt nachzuprüfen und den Stromanbieter schriftlich (per Einschreiben) zu kontaktieren. Aufklärung geht vor Begleichung: Solange die Rechnung nicht eindeutig geklärt ist, gibt es keine Zahlungsverpflichtung. Laut geltender Rechtsprechung darf ein Stromunternehmen bei einer schlüssigen Beanstandung seitens des Kunden die Stromversorgung nicht einfach abstellen. Das belegt ein Urteil des Amtsgerichts Marburg vom Februar 2017.
Falsche Verbrauchseinschätzung
Eine Ursache für eine deutliche Nachforderung ist die Differenz zwischen den Schätz- und Messwerten. In der Regel gibt ein Verbraucher zu Beginn des Vertragsverhältnisses zum einen den Zählerstand an und auch die voraussichtliche jährliche Verbrauchsmenge, woraus sich der monatliche Abschlag ergibt. Normalerweise ist der Endkunde verpflichtet, diese Ablesung selbst vorzunehmen. Kommt ein Kunde dieser Verpflichtung nicht termingerecht nach, kann der Stromversorger den Zählerstand schätzen (das ist laut § 20, Absatz 2 AVBEItV zulässig). Er orientiert sich dabei meist an den vorangegangenen Zeiträumen im Verbrauch oder an vergleichbaren Haushalten.
Häufig wird beobachtet, dass hier die Verbrauchswerte eher zu niedrig angesetzt werden. Das ist für den Kunden zunächst eine Erleichterung, weil die monatlichen Abschläge niedrig sind – bis zur endgültigen Abrechnung. Denn hier fordert der Stromanbieter dann den Gesamtbetrag als Einmalzahlung nach. Besonders ärgerlich ist das, wenn der Stromversorger behauptet, dass die starke Differenz erst in den letzten Monaten vor der erneuten Zählerablesung zustande gekommen sei.
Kein Problem auf der Rechnung: Der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen ist im Strompreis enthalten.
Gerade durch steigende Strompreise innerhalb eines Verbrauchsjahres können Nachforderungen entstehen. Die Strompreise sind zwar seit dem verheerenden Atomunfall in Fukushima 2011 an der Börse stark gesunken, was allerdings durch die Einführung der EEG-Umlage in den Nachfolgejahren wieder ausgeglichen wurde. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden Verbraucher an der Finanzierung von erneuerbaren Energieversorgungen beteiligt. Die Entwicklung der EEG-Umlage ist allerdings seit diesem Jahr wieder leicht im Sinken begriffen.
Richtig nachprüfen
Vor allem bei Stromanbietern, die tendenziell häufiger von Verbraucherbeschwerden betroffen sind, ist es äußerst ratsam, die Stromrechnung genau nachzuprüfen. Wer nicht gewissenhaft mögliche Fehlerquellen untersucht, verschenkt im Zweifelsfall sein Recht auf Beanstandung und im Endeffekt bares Geld. Hier ist übrigens immer wichtig, das zu Beginn vereinbarte Angebot nachweisen zu können.
Fehler in der Abrechnung
- Ist der zugesagte Bonus eingehalten worden?
Viele Anbieter locken Neukunden mit Boni-Zahlungen, diese sind manchmal auf der Jahresabrechnung nicht mehr oder nicht in der vereinbarten Höhe ausgezeichnet.
- Wurde der richtige Tarif abgerechnet?
Steht der im Angebot vereinbarte Grundpreis und Arbeitspreis auch in der Abrechnung oder sind dort andere Tarife ausgewiesen? Eventuell wurden auch zu hohe Umlagen veranschlagt. Anhand von Monitoringberichten lassen sich die zulässigen Umlagen ermitteln.
- Wurden die Abschlagszahlen korrekt berücksichtigt?
Alle zwölf Jahresabschläge sollten in der Rechnung aufgeführt sein. Sie können leicht selbst nachweisen, wann Sie die Zahlungen geleistet haben, falls das nicht der Fall sein sollte.
- Liegen Berechnungsfehler vor?
Der Rechnungsbetrag besteht aus den Grundkosten mal die Anzahl der Monate plus den Kilowatt-Arbeitspreis mal Verbrauchsmenge abzüglich Boni. Falls Sie die aufgeführten Rechnungen nicht nachvollziehen können, lassen Sie sich diese von Ihrem Stromanbieter erklären. Das besagt 40 EnWG Abs. 1: „Rechnungen für Energielieferungen an Letztverbraucher müssen einfach und verständlich sein.“
Zählerstand-Fehler
- Ist der Zählerstand falsch?
Ablesefehler, Zahlendreher oder vertauschte Zählernummern können zu einer falschen Verbrauchssumme führen. Die Ablesung des Zählerstandes sollte immer einwandfrei nachweisbar sein, entweder gegengezeichnet oder fotografisch dokumentiert.
- Ist der Zähler defekt?
Defekte Stromzähler kommen selten vor, sind aber nicht unmöglich. Verbraucher haben das Recht, den Zähler überprüfen zu lassen. Ist der Verdacht jedoch unbegründet, müssen sie für die entstandenen Kosten selbst aufkommen.
Eine reibungslose Stromversorgung sollte immer zur Zufriedenheit der Endkunden geschehen.
Recht auf Widerspruch und Anbieterwechsel
Bei Verdacht auf eine begründet fehlerhafte Rechnung sollten Verbraucher sofort Widerspruch einlegen. Manchmal lassen sich Fehler wie Zahlendreher oder Ähnliches leicht aufklären, sodass keine rechtlichen Schritte vonnöten sind. Die Schlichtungsstelle Energie e. V. rät Verbrauchern, alle Möglichkeiten einer gütlichen Einigung im Vorfeld auszuschöpfen. Solange der Energieanbieter Lösungsvorschläge anbietet, Gutschriften oder Ratenzahlungen anbietet, können oft einvernehmliche Lösungen gefunden werden.
Sollte das nicht der Fall sein, ist die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt Ihres Vertrauens die richtige Lösung, um Ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen.
Verbraucher können natürlich auf stetig steigende Strompreise reagieren. Sie haben einen wirkungsvollen Einfluss auf Strompreise, indem sie von ihrem Recht auf jährlichen Anbieterwechsel Gebrauch machen. Bei unlauteren Methoden in der Informationspolitik, einem undurchsichtigen Bonus-Modell oder nicht kulantem Verhalten strafen Verbraucher Stromanbieter schnell ab, indem sie kündigen und einen Wechsel vornehmen. So läuft die Regulation im Strommarkt inzwischen relativ flüssig. Viele Online-Vergleichsportale machen es Stromkunden leichter, die Anbieter und ihre Leistungen zu vergleichen sowie einen einfachen Wechsel vorzunehmen.
Vorsorge treffen
Stellt sich heraus, dass entgegen der eigenen Einschätzung der Haushaltsverbrauch tatsächlich über das Jahr gestiegen ist, sollten Sie als Verbraucher die Quelle für den erhöhten Verbrauch ermitteln. Das ist zwar ärgerlich, die Ursachen sind dann jedoch schnell gefunden und behoben. Die Überprüfung ist auch vor einer eventuellen Beanstandung der gestellten Jahresabrechnung sinnvoll.
- Gibt es im Haushalt alte Haushaltsgeräte, die übermäßig viel Strom verbrauchen?
- Haben sich Verbrauchsgewohnheiten geändert?
- Gab es über eine längere Zeit Besuch im Haushalt?
- Gibt es noch viele alte Leuchtmittel in Gebrauch?
- Gab es eine Hauserweiterung oder ein Ereignis wie einen Wasserrohrbruch, nach dem elektronische Trockner im Einsatz waren?
Eine weitere Möglichkeit, unliebsamen Zählerständen am Ende des Vertragsjahres vorzubeugen, ist eine monatliche Ablesung des Zählerstandes, am besten mit einem eindeutigen Nachweis, wie einer fotografischen Dokumentierung. So lassen sich auch im Nachhinein starke Schwankungen im Verbrauch nachweisen.
Auch die Angebote, die bei der Anwerbung gemacht wurden, gilt es sorgfältig aufzubewahren, um Nichtübereinstimmungen nachweisen zu können.
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Eine Variante von falscher Stromrechnung kann bei der Kombination von Photovoltaik und Wärmepumpe entstehen. Das ist für den Kunden nicht einfach zu entdecken.
Bei mir lieferte die enviaM den Wärmepumpenstrom, die Stadtwerke Bochum den Haushaltsstrom. Es gibt zwei Zähler, einer zählt u.a. den Gesamtbezug von Strom und ein zweiter u.a. den Gesamtbezug des Haushaltsstrom.
Die Stadwerke Bochum übermitteln der enviaM einen „virtuellen“ Zählerstand. Der WP-Strom errechnet sich aus Gesamtbezug-Haushaltsstrom.
Den Haushaltsstrom beziehe ich von den Stadtwerken Bochum.
Die Stadtwerke Bochum hat allerdings den Gesamtbezug als „virtuellen“ Zählerstand an die enviaM gemeldet. Ich bezahle also den Haushaltsstrom einmal bei den Stadtwerken Bochum und nochmals bei enviaM mit dem WP-Strompreis.
Das ist mir bei einem Vergleich mit den von mir abgelesenen Zählerständen aufgefallen.
Merkwürdig sind auch die von enviaM angegeben Strombezüge von Mai-Oktober. Während dieser Zeit sind wir fast autark. Meine Anlagensoftware hat 56 KWh Gesamtverbrauch gezählt, enviaM schreibt 345 KWh als WP-Verbrauch in die Abrechnung.
Im November 2023 habe ich die Schlichtungsstelle darüber informiert. Das Verfahren läuft ……..
Es ist davon auszugehen, es gibt zig solcher „Versehen“.