Am 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht Regelungen im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht für verfassungswidrig erklärt. In dem Urteil vom 17. Dezember 2014 (Az. 1BvL 21/12) ging es um die Verschonung vor der Erbschaftssteuer für Unternehmenserben. Konkret wird ganz oder teilweise steuerbefreit, wenn zum Nachlass maßgebliche Beteiligungen an Firmenvermögen (einschließlich land- und forstwirtschaftlicher Betriebe) gehörten. Voraussetzung für diese Privilegierung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Betrieb nach dem Tode des Inhabers mehrere Jahre fortgeführt wird und außerdem die Arbeitsplätze erhalten bleiben. In der Praxis sieht dies aber in der Mehrzahl der Fälle ganz anders aus. Für Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern werden diese Privilegierungsvoraussetzungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gar nicht geprüft. Zudem gibt es für die Regelungen, die eigentlich das typische kleine bis mittlere Familienunternehmen schützen sollten, keine Begrenzung nach oben. So können auch Millionenvermögen fast oder ganz steuerfrei vererbt (oder verschenkt) werden; denn die Regelungen gelten auch für die sog. vorweggenommene Erbfolge unter Lebenden.
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Demgegenüber muss ein Erbe von Geldvermögen den Nachlass (von den Freibeträgen abgesehen) vom ersten Euro an besteuern. Und wegen dieser unterschiedlichen Behandlung hat das Bundesverfassungsgericht die bestehenden Regelungen beleuchtet. Zwar sind bestimmte Privilegierungen aus übergeordneten Gesichtspunkten (Stichwort: Erhalt von Arbeitsplätzen) nicht per se verfassungswidrig. Für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz hält das Gericht aber den Umstand, dass Erben von Kleinunternehmen (de facto 90 % aller Unternehmen in Deutschland) gar keinen Nachweis liefern müssen, ob sie Arbeitsplätze erhalten. Zudem ist es aus Sicht des Gerichts nicht vertretbar, dass auch Erben von großen und sehr großen Familienunternehmen von der Erbschaftsteuer verschont bleiben. Wo die Grenze zwischen mittleren und großen Unternehmen liegt, muss der Gesetzgeber nun bis zum 30. Juni 2016 definieren. Bis dahin bleibt es bei den bisherigen Regelungen, weshalb Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden können. Allerdings gibt es seit der Verkündung des Urteils keinen Vertrauensschutz mehr in das Fortbestehen der aktuellen gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen sollten nach der Formulierung des Gerichts „nicht exzessiv“ ausgenutzt werden – was das bedeutet bleibt allerdings offen.
Autor: Dr. Thomas Rinne
Weitere Informationen: www.dr-thomas-rinne.de