Ein Cent – ungefragt & ärgerlich

Wer Geld überwiesen bekommt, der freut sich in aller Regel. Wenn es aber nur um einen Cent geht, dann sollten die Alarmglocken klingeln. Die Stuttgarter Nachrichten haben einen interessanten Fall recherchiert.

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Wir zitieren die Stuttgarter Nachrichten:

Es begann im Herbst. Ein Bankkunde entdeckte auf seinem Girokontoauszug eine Gutschrift über einen Cent, ausgestellt von der Aktion Weltkinderhilfe und mit dem Zusatz: „Herzlichen Dank für Ihre Spende. Damit wir Ihnen künftig eine Quittung zusenden können, bitten wir Sie, fehlende Adressdaten unter Telefon 0 18 05 / 33 11 13 zu melden. Vielen Dank.“

Daten herausgeben? Name und Adresse? Wer ist die Aktion Weltkinderhilfe, und weshalb verfügt sie offensichtlich über die Kontodaten? Der Kontoinhaber konnte sich an keine Spende erinnern. Schlagartig traten ihm aber Warnungen in den Medien vor Augen, man solle bloß keine persönlichen Angaben an Fremde preisgeben, auf dass diese das Konto plündern könnten.

Der Empfänger interpretierte die Überweisung folglich als eine Kontaktaufnahme mit betrügerischer Absicht, an seine persönlichen Daten zu gelangen. Und er nahm den Vorfall zum Anlass, eine breit gestreute Warnung vor Ein-Cent-Überweisungen aufs Girokonto zu versenden. „Es gibt eine neue Masche von Betrügern, an Bankdaten heranzukommen. Die Vorgehensweise der Betrüger: Es werden viele Ein-Cent-Überweisungen an eine bestimmte Bankleitzahl, kombiniert mit Zufallskontonummern verschickt. Erfolgt keine Fehlermeldung, heißt das: Das Konto existiert. Dieses Wissen ermöglicht den Betrügern, den Kontoinhaber durch Abbuchungen zu schädigen.“

Weiter wird empfohlen, nach Eingang einer Ein-Cent-Überweisung die Bank zu verständigen. Vom Geldinstitut solle man sich die Kontodaten des Überweisenden geben lassen und damit zur Polizei gehen. Auch die Telefonnummer nicht anrufen, denn dabei könnten sehr hohe Telefonkosten anfallen, mit denen ebenfalls Geld gemacht werden soll.

Durch Weitersenden per E-Mail zunächst an den Bekanntenkreis und dann wiederum an deren Bekannte entstand das, was man landläufig als Kettenbrief bezeichnet. Im Dezember gelangte die Warnung in unsere Redaktion. Die Recherche über die Ein-Cent-Überweisung ergab Erstaunliches:

Die Aktion Weltkinderhilfe existiert tatsächlich. Es handelt sich um eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Bad Honef. Sie wurde vor vier Jahren gegründet und unterhält Hilfsprojekte in mehreren Ländern. Sie besitzt zwar nicht das Spendensiegel, das das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (dzi) vergibt, ist aber in der dzi-Dokumentation aufgeführt.

Die Nummer: Auch die Telefonnummer der Aktion Weltkinderhilfe ist korrekt. Allerdings kostet die Minute 14 Cent – ein professioneller Abzocker würde sich mit diesem Tarif nicht zufriedengeben.

Die Methode: Die für Fundraising, also Spenden, zuständige Dame bei der Aktion Weltkinderhilfe räumte gegenüber unserer Redaktion ein, dass die Organisation ehemaligen Spendern, zu denen kein Kontakt mehr bestehe, einen Cent überwiesen habe. „Dies ist eine gängige Methode, damit man Spendern eine Quittung zusenden kann“, erklärte sie. „Wenn die Spender beispielsweise weggezogen sind und keinen Nachsendeantrag gestellt haben und auch die Telefonnummer nicht mehr stimmt, hat man oft keine andere Wahl.“

Die Einschätzung: Nach Angaben von dzi-Geschäftsführer Burkhard Wilke sind Ein-Cent-Überweisungen bei karitativen Organisationen „in gewissem Maße üblich“. Doch es komme aufs Detail an. Vertretbar sei ein solcher Schritt zum Beispiel bei Spendern, die chronisch vergessen, bei ihrer Überweisung auch die Adresse anzugeben. „Diese Form ist legitim, wenn die Aufforderung zeitnah nach Überweisung einer Spende kommt“, schränkt Wilke ein. „Nach ein bis zwei Jahren hingegen ist der Abstand zu groß und man kann davon ausgehen, dass es nur darum geht, Daten abzugreifen, um weitere Spendenwünsche zu verschicken.“

Die persönlichen Daten: Bei niedrigen Spendenbeträgen hält Wilke es für bedenklich, wegen einer Spendenbescheinigung persönliche Daten herauszugeben. Völlig „unvertretbar“ findet er es, wenn sich der Adressat unter einer kostenpflichtigen Telefonnummer melden soll. Das nähre den Verdacht, dass keine lauteren Mittel hinter der Bitte nach der Adresse stehen. „Selbst bei einem niedrigen Minutenpreis von 14 Cent ist das nicht nur ungeschickt, sondern unangemessen und nicht einsehbar gegenüber dem Spender.“ Nach mehreren Datenschutzskandalen sowie Lauschangriffen auf PC und Girokonten durch professionelle Betrüger werden viele Menschen allerdings hellhörig, wenn sie aufgefordert werden, persönliche Angaben über virtuelle Kanäle zu senden. Und das zu Recht.

Die Banken: Nach Angaben des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) gab es schon Einzelfälle, in denen Kriminelle durch Überweisungen kleiner Beträge versuchten, an Kontendaten zu gelangen. Es sei für Fremde aber kaum möglich, Geld von anderen abzuziehen. Erstens, weil Geldinstitute genauer hinsehen, wenn sich Überweisungen häufen, die keinen Empfänger erreichen. „Sobald sich die Beschwerden häufen, werden Unternehmen, Vereine oder Institutionen vom Lastschriftverfahren ausgeschlossen“, bekräftigte eine BdB-Sprecherin.

Selbst wenn Kriminelle eine Lastschrift ziehen, sei das nur möglich, wenn eine schriftliche Einzugsermächtigung des Kontoinhabers vorliege. Grundsätzlich kann jede Lastschrift binnen sechs Wochen widerrufen werden. Fehle aber die Zustimmung des Kunden, handelten die Abbucher betrügerisch, das könne jeder Kunde zeitlich unbegrenzt reklamieren. Wichtig ist zudem, dass die Konteninhaber regelmäßig ihre Auszüge kontrollieren. Verdächtige Transaktionen sollte man sofort der Bank melden.

Die Polizei: Bei Nachfragen zu Name, Adresse, Konto, Pin oder Passwort ist grundsätzlich Skepsis angebracht: Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) wurden bei fünf Prozent der deutschen Internet-Nutzer bereits Zugangsdaten für Internet-Shops, Netzwerke oder Online-Banking ausspioniert. Drei Prozent haben durch Schadprogramme und Datendiebstähle einen finanziellen Schaden erlitten.

Außerdem ist nach einem Rückgang 2008 die Zahl der Betrugsfälle im Internet dieses Jahr wieder angestiegen. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom) rechnet anhand von Daten der Landeskriminalämter für dieses Jahr mit bis zu 2900 angezeigten Phishing-Fällen – also dem betrügerischen Abgreifen persönlicher Passwörter im Internet – ein Plus von rund 50 Prozent. Die Schadensumme steigt der Hochrechnung zufolge um 56 Prozent auf bis zu elf Millionen Euro.

Ob telefonisch oder im Web: Wenn Kunden von sich aus Daten freigeben, helfen die besten Sicherheitssysteme nicht mehr.

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