Mit seinen Skandalbewältigungs-Strategien tanzt der Volkswagen-Konzern rund um „Dieselgate“ auf zwei Hochzeiten: Da gibt es zum einen das juristische Parkett, auf dem unter der Tanz-Regie der Kanzlei Freshfields eher ein konventioneller Stil getanzt wird. Die Strategien sind nicht besonders feinsinnig, das Vorgehen standardisiert vor allen deutschen Landgerichten. Gänzlich vogelwild wird das Gehopse auf der Marketing-Bühne, denn neben dem wirtschaftlichen Schaden durch verlorene Prozesse gibt es verfahrensausgangsunabhängig auch immer um die Fragen nach dem Verbleib des guten Rufes der Wolfsburger Autobauer und den wirtschaftlichen Folgen von Massenschadensfällen für den Verursacher. Hier gilt es, Verfahrenserfolge der Gegenseite herunterzureden, eigene Erfolge aufzuwerten und vor allem ganz ganz eigene Schlüsse aus der Gesamtsituation zu ziehen und möglichst breit zu verteilen.
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Ein höchstrichterliches BGH-Urteil zu möglichen Schadensersatz-Ansprüchen im Diesel-Abgasskandal gibt es immer noch nicht. VW schließt in großen Mengen Einzelvergleiche vor deutschen Oberlandesgerichten, um Grundsatzurteile zu verhindern. OLG-Urteile werden nur in besonderen Einzelfällen riskiert. Besonders paradox dabei: VW vergleicht sich in zweiter Instanz sogar, wenn diese von den Konzernanwälten selbst als Berufungsinstanz aufgerufen wurde. Die Taktik dahinter: Opfer des Dieselskandals sollen auf jeden Fall in die zweite Instanz getrieben werden, so erhofft man sich den Rückzug von unter Umständen zögerlich auftretenden Rechte-Durchsetzern.
Nur ein Beispiel: Vor den Oberlandesgerichten in Stuttgart und Karlsruhe sind nach Recherche der ARD insgesamt um die 1000 Dieselfälle eingegangen. In Stuttgart konnten erst in zwei Fällen Entscheidungen getroffen werden. In Karlsruhe wurden etwa 250 Berufungen zurückgenommen.
Die Gerichte werden über die Inhalte dieser Vergleiche nicht informiert, die Parteien selbst vereinbaren zumeist Stillschweigen. Fest steht nur: In einem großen Teil der Vergleiche wird nicht verhandelt, sondern der komplette Schadensersatz anerkannt.
So wartet Auto-Deutschland weiter auf Grundsatzentscheidungen, die Rechtssicherheit schaffen könnten.
Das Volkswagenmarketing sagt’s so, wie es ihm gefällt: „Ob sich Volkswagen für einen außergerichtlichen Vergleich entscheidet, ist von wirtschaftlichen Gesichtspunkten und vom jeweiligen Einzelfall abhängig.“ Zudem sei die Zahl der Vergleiche gemessen an der Gesamtzahl aller Verfahren gering – zumindest dieser Punkt darf bestritten werden.
Die Kooperationsanwälte der IG Dieselskandal empfehlen, sich im Verfahren mutig und entschlossen zu zeigen. Wer sich ins Klageregister eingetragen hat sollte überlegen, doch noch selbst zu klagen – insbesondere dann, wenn eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernehmen würde.
Eine Abmeldung aus der Musterklage ist noch einige Wochen möglich, um den Weg für eine Individualklage frei zu machen. Wer sich noch nicht eingetragen hat, kann auch heute noch privat klagen, denn die Verjährung der Ansprüche zum 31. 12. 2018 ist alles andere als ein juristisch unumstrittener Punkt. Udo Schmallenberg Schmallenberg Schmallenberg, Moderator der IG Dieselskandal: „Den Sendetermin einer Videoansprache eines Konzernchefs als Beginn des Anlaufes der Verjährungsfirst herzunehmen dürfte juristisch nicht haltbar sein. Unter Umständen ist der Frist erst mit der Zustellung der Rückrufschreiben angelaufen und würde damit frühestens zum 31. Dezember 2019 verjähren!“