Aktuell: anwalt.de entwickelt das Tool „Plattformanfragen“ nicht weiter und hat die Beta-Phase zum 10. März 2023 beendet. verbraucherschutz.tv hatte frühzeitig auf die Schwächen der Idee hingewiesen:
Hier einen Rechtsanwalt zu diesem Thema finden
Verbraucherschutz.tv kooperiert deutschlandweit mit vielen kompetenten Rechtsanwälten auch aus Ihrer Region. Sie sind Anwalt und möchten hier veröffentlichen? Bitte Mail an usch@talking-text.de
Das Rechtsportal „anwalt.de“ hat ein neues Produkt in der Beta-Phase. Es geht um Plattform-Anfragen. Seitenbesucher, die über ihr Rechtsproblem sprechen wollen, können ihr Anliegen elektronisch vortragen. Grundsätzlich ist das eine gute Idee, in der Praxis tun sich aber einige Probleme auf, die im Rahmen der Bewertung der Effekte nach der Beta-Phase abgeschaltet werden müssen.
Vorab muss man sich die Frage stellen: Warum gibt ein User solch eine Anfrage ab, statt sie dem Anwalt selbst zu stellen? Dies kann nur vor dem Hintergrund stattfinden, dass der User einen individuellen Ansprechpartner
a. entweder nicht findet
b. gar nicht finden will
c. gar nicht bezahlen möchte
Dies berücksichtigend MÜSSEN Anwälte davon ausgehen, dass erheblich viele Anfragende angesprochen werden müssen, bevor ein wirtschaftlich sinnstiftendes Mandat daraus wird.
Hier nun das Problem: Anwälte dürfen sich nur 4 Mal pro Monat bewerben – müssen also früh entscheiden, ob eine Anfrage Sinn macht oder nicht. Das bringt für alle Beteiligte nur Nachteile und ist völlig sinnfrei
a. Anwälte, die gerne helfen würden, bekommen keine Gelegenheit, weil ihr Kontingent schnell aufgebraucht ist. Wird eine Frage gestellt, die dieser Anwalt wie kein anderer beantworten könnte, dann wird diese Anfrage garantiert nicht beim einsatzfreudigen Experten landen, sondern bei irgendeinem 2. Reihe Anwalt, der irgendwann am späten Freitagabend noch seinen Umsatz für die Woche aufbessern will. Alle guten Anwälte werden ihr Potential in den ersten 48 Stunden eines Monats aufgezehrt haben.
b. Das Potential von anwalt.de als Element des kollektiven Rechtsschutzes wird nicht genutzt, weil dem Anfrager die Möglichkeit genommen wird, den besten Anwalt und die günstigste Information zu finden
c. Der Anwalt liest Anfragen, die er gar nicht beantworten darf. Das ist ein Zeitraub, der einfach nicht mehr zeitgemäß ist.
Besonders blöd in diesem Zusammenhang: Ein Anwalt, der schon 4 Anfragen beantwortet, sieht unter Umständen, dass eine für ihn interessante Anfrage NICHT beantwortet wird. Er darf aber nicht antworten. Hier hält anwalt.de anfragenden Usern aufgrund einer willkürlichen Regel Hilfe zurück. Am Monatsende häufen sich Anfrage, die nicht mal eine einzige Antwort bekommen, weil alle Anwälte, die mitmachen möchten, ihr Kontingent schon lange ausgeschöpft haben.
Auch nicht einzusehen: Anwälte aus Großkanzleien haben Vorteile, weil z.B. eine Kanzlei mit 10 Mitarbeitern 40 Anfragen beantworten darf und daher auch auf attraktive Anfragen warten kann
Auf dem Weg zu einem funktionalen LegalTec sind die anwalt.de-Plattformanfragen also zumindest in der Beta-Phase weit entfernt von einer guten Idee und eher ein Rückschritt. Man muss sich mal überlegen: Hier stauen sich Anfragen und auf der anderen Seite gibt es Anwälte, die diese Fragen beantworten möchten, es aber nicht können, weil sie schon 4 Antworten gegeben haben – das verstehe wer will. Unter dem Strich: Anfragen vergammeln, unzufriedene Kunden, unzufriedene Anwälte. Meine Meinung: Das ist noch sehr ausbaufähig.