2 Sa 567/18 – LAG Niedersachsen zur nachträglichen Berechnung von Urlaubsansprüchen Schwerbehinderter

Im Streit über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über bestehende Zahlungsansprüche hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zum Aktenzeichen 2 Sa 567/18 ein interessantes Urteil gesprochen. Verklagt wurde ein Einzelhandelsunternehmen – weniger als 10 Arbeitnehmer – von einer gekündigten Mitarbeiterin.

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Die Klägerin war seit Januar 2012 dort beschäftigt und erzielte zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.500 Euro. Der Urlaubsanspruch war mit 36 Tagen im Arbeitsvertrag geregelt, blieb aber unter dem Anspruch, den die Klägerin aufgrund ihrer 50-prozentigen Schwerbehinderung eigentlich hätte geltend machen können. Der Anspruch wurde lange Zeit nicht eingefordert und auch der Arbeitgeber erinnerte die Mitarbeiterin nicht daran, dass ihr eigentlich mehr Urlaub zustehen müsste.

Wie bei ungeklärten Sachverhalten vielfach eintretend, kam es erst in der Diskussion über eine im Raum stehende Kündigung wegen der Betriebsstilllegung zum Streit über den Urlaubsanspruch. Das angerufene Integrationsamt hatte „Grünes Licht“ für die anstehende Kündigung der Mitarbeiterin gegeben, die hier auch keinen Einspruch einlegte.

Eine Klage gegen die Kündigung wurde beim Arbeitsgericht Hameln eingereicht. Mit Schreiben vom 30. November 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Januar 2018. Mit ihrer am 11. Dezember 2017 beim Arbeitsgericht Hameln eingegangenen Klage wehrt sich die Klägerin gegen diese Kündigung.

Im Rahmen der Kündigungsschutzklage bestritt die Klägerin das Vorliegen von Kündigungsgründen. Sie vertritt die Ansicht, die Kündigung vom 30. November 2017 sei unwirksam, weil die Beklagte in dem Verfahren vor dem Integrationsamt angegeben habe, eine Betriebsstilllegung sei zum 31. März 2018 beabsichtigt. Die Zustimmung des Integrationsamtes habe sich nicht auf eine Kündigung zum 31. Januar 2018, sondern allein auf eine betriebsbedingte Kündigung zum 31. März 2018 bezogen. Zudem führte die Klägerin aus, dass eine längere Betriebszugehörigkeit angerechnet werden müsse, da im vorangegangenen Arbeitsverhältnis ein Betriebsübergang stattgefunden habe.

Zudem sei dem Unternehmen ihre Schwerbehinderung von Beginn des Arbeitsverhältnisses an bekannt gewesen. In Kenntnis der Behinderung hätte der Arbeitgeber sie darauf hinweisen müssen, dass ihr Schwerbehindertenzusatzurlaub zustehe. Die Forderung: Wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht stehe ihr ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.076,92 Euro brutto zu (69,23 EUR brutto pro Urlaubstag für jeweils fünf Tage pro Jahr in den Kalenderjahren 2012 bis 2017), zusätzlich Entgelt für Überstunden und noch bestehenden Urlaubsanspruch, sowie Lohnfortzahlung bis zum Ende des 1. Quartals 2018.

Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht bestritt der Arbeitgeber angebliche Verpflichtungen und beantragte, die Klage in Gänze abzuweisen. Vom Grad der Schwerbehinderung habe er nur durch Zufall und erst sehr spät erfahren

Mit Urteil vom 7. Juni 2018 hat das Arbeitsgericht Hameln die Klage weitestgehend abgewiesen. Die Kündigung sei wirksam ausgesprochen worden – daraufhin legte die Klägerin Berufung ein.

Im Kern wurde die Berufung abgewiesen, denn auch das Landesarbeitsgereicht erkannte die vorliegende Kündigung als rechtsgültig an. Ausführlich berechnet das Gericht den der Klägerin zustehenden Urlaubsanspruch und kommt dabei zwar auch zum Ergebnis, dass der Klägerin mehr Urlaub zusteht, aber längst nicht im von ihr geforderten Rahmen. Grund dafür ist auch, dass die Klägerin Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen nicht eingehalten habe, zudem sei der Vortrag in Bezug auf die Kenntnis der Schwerbehinderung durch den Arbeitgeber nicht substantiell. Diese habe zumindest in den ersten Jahren der Beschäftigung nicht zwangsläufig über den Grad der Behinderung Bescheid wissen und die Beschäftigte über ihre Rechte informieren müssen.

Wohl besteht aber ein Abgeltungsanspruch in Höhe der verfallenen Zusatzurlaubstage für die Jahre 2015 bis 2017. Bezüglich der nachträglichen Entgeltung von Überstunden verwies das Gericht auf die Lücken bei der Dokumentation der Arbeitszeiten durch die Klägerin.

LAG Niedersachsen 2. Kammer, AZ.: 2 Sa 567/18

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