ProSiebenSat.1 hatte nicht damit gerechnet, das Problem „Jochen Schweizer“ vor Ende April dieses Jahres lösen zu können. Nun hat das Unternehmen erste Ergebnisse seiner Untersuchung über „regulatorische Unklarheiten beim Erlebnisvermittler Jochen Schweizer Mydays“ vorgestellt und so wie’s aussieht kommt es knüppeldick: Das Gutscheingeschäft steht unter Beobachtung der Staatsanwaltschaft und dabei sind noch lange nicht alle Fragen geklärt. Regulatorische Unstimmigkeiten könnten ein Geschäft beschreiben, für das Pro7 keine Zulassung hatte. Es geht dabei wohl um teure Gutscheinangebote um die 500 Euro. Es droht ein erhebliches Bußgeld.
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Die Staatsanwaltschaft München I hat einen sogenannten „Beobachtungsvorgang“ eingeleitet. Auch personelle Konsequenzen werden gezogen: Von Finanzchef Ralf Gierig hatte sich ProSiebenSat.1 am Donnerstag mit sofortiger Wirkung getrennt. Weitere Konsequenz ist der Ausstieg des bisherigen Miteigners von Jochen Schweizer/Mydays: Der US-Finanzinvestor General Atlantic (GA) hat seine 28-prozentige Beteiligung für angeblich einen Euro an ProSiebenSat1 übertragen.
Zumindest die Bilanz liegt nun vor und macht den Aktionären wenig Hoffnung auf eine gute Dividende. Der Hauptversammlung wird vorgeschlagen, 0,05 Euro je Aktie auszuschütten.
Problematisch am Gutscheingeschäft ist wohl, dass die Aufsichtsbehörden insbesondere Gutscheine ab einem Wert von 250 Euro zu Zahlungsmittel erklären. Im Rahmen einer unabhängigen internen Untersuchung sollen Fehlverhalten innerhalb des Konzerns aufgedeckt und Schuldige gefunden werden. Parallel dazu erarbeiten Jochen Schweizer und mydays unter Aufsicht der BaFin an Lösungen, um die bisherigen Gutscheine abzuwickeln. Der Sender kündigt weitreichende Kooperation an – auch um das Strafmaß zu beeinflussen.
Die Fragen die sich aktuell stellen, drehen sich für den Verbraucher auch darum: „Wann verjähren Jochen Schweizer Gutscheine?“ – Es könnte aber auch um steuerliche Aspekte gehen.
Termin für die ProSiebenSat1-Aktionärsversammlung
Die angesprochenen „Regulatorischen Unklarheiten“ hatte verbraucherschutz.tv schon Anfang März veröffentlicht und unser Verdacht scheint sich zu bestätigen: Es besteht zum einen der Verdacht, dass das Bundesfinanzministerium plant, Gutscheine dieser Art unter das Zahlungsdiensterecht zu stellen mit der Konsequenz, dass ein Gutschein als Zahlungsmittel seinen Wert über die gesetzliche Verjährungsfrist hinaus behält. Damit wäre das Konzept, mit verjährten Gutscheinen Geld zu verdienen, nicht mehr anwendbar und auch rückwirkend unzulässig, daher droht Strafe.
Grundsätzlich dürfen Gutscheine nicht vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist verfallen. Diese beträgt 3 Jahre und die Frist läuft nicht am Tag des Gutscheinkaufes an, sondern zum Ende des Jahres, in dem der Gutschein gekauft wurde. Beispiel: Ein Erlebnisgutschein, der am 1. Januar 2023 gekauft wurde, ist ab Ende 2026 nicht mehr einlösbar. Ausnahmen beziehen sich auf sogenannte Eventgutscheine, die für eine bestimmte Veranstaltung bestellt und bezahlt wurden. Der Gutschein verfällt mit dem Ende der Veranstaltung.
„Ein Erlebnis-Gutschein ist für ein konkretes Erlebnis ausgestellt, beispielsweise für einen Hubschrauber-Rundflug. Der Erlebnis-Gutschein ist ab Kauf 3 Jahre gültig, umtauschbar, frei übertragbar und nicht termingebunden.“
Auf was der Verbraucher auf der Jochen-Schweizer-Homepage nicht hingewiesen wird, ist eben die Tatsache, dass die gesetzliche Verjährungsfrist 3 Jahre zum Jahresende gilt, also unter Umständen bis zu 12 Monate länger als eine taggenau berechnete Verjährungsfrist.
Besondere Situation in Österreich
Jochen-Schweizer-Kunden aus Österreich können sich auf ein interessantes obergerichtliches Verbraucherschutz-Urteil berufen. Eine Klage der Arbeiterkammer gegen insgesamt 19 Details der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war erfolgreich. Der Oberste Gerichtshof erklärte die Klauseln für unzulässig und verlängerte individuelle Verjährungsfristen auf bis zu 30 Jahre.
Schlecht bilanzbar: 80 Millionen Euro Gutscheinwert
Derzeit „verwaltet“ das Unternehmen Gutscheine im Wert von über 80 Millionen Euro, die aktuell nicht eingelöst wurden. Verfällt ein Gutschein, dann verdient man Geld, ohne dafür etwas leisten zu müssen. Die Hoffnung darauf nennt man „Verfall-Kalkül“ . Um den Umgang mit dem Geld aus zahlungsdienstrechtlicher und umsatzsteuerlicher Sicht drehen sich die aktuellen „Unklarheiten“
Ist eine zeitliche Begrenzung zulässig?
Händler oder Anbieter wie Jochen Schweizer dürfen die Frist zur Einlösung auch selbst bestimmen und die gesetzliche Frist dabei unterschreiten. Die gesetzliche Frist ist nur verbindlich, wenn sonst nichts angegeben ist. Allerdings darf eine individuelle Verjährungsfrist nicht zu knapp bemessen ein. Eine Frist von weniger als einem Jahr ist in der Vergangenheit von mehreren Gerichten als unzulässig beschieden worden. Ist eine Frist kürzer und damit unzulässig, dann tritt sofort die gesetzliche Fristenregelung ein.
Gutschein abgelaufen – geht da noch was?
Ist die individuelle Einlösefrist wirksam abgelaufen, kann ein Kunde aber trotzdem noch die Erstattung des Kaufpreises verlangen. Dies ist ein Rechtsanspruch. Dieser verwirkt erst, wenn die gesetzliche Frist abgelaufen ist. Oder eben niemals, wenn Gutscheine als offizielles Zahlungsmittel verwendet werden können.
Anbieter ist pleite – was ist mit meinem Gutschein?
Insolvenzverwalter müssen Gutscheine nicht einlösen. Mit der Insolvenz eines Unternehmens erlischt der Gutscheinwert. Gutscheinbesitzer können den Schaden allerdings in der Insolvenztabelle anmelden. Stellt das Unternehmen das Geschäft ein, muss der Gutscheinwert erstattet werden. Von einer Insolvenz ist Jochen Schweizers Idee der Abenteuergutscheine weit entfernt, aber die aktuelle Diskussion bringt die Zahlen gehörig durcheinander. Zudem hatten wichtige Aktionäre schon im vergangenen Jahr gefordert, dass sich ProSiebenSat1 auf das Kerngeschäft konzentrieren sollte.
Ist es Rechtens wenn ein Erlebnis Gutschein kurz vor Corona erworben wurde und dann das Erlebniss in dem letzten halben Jahr der Möglichkeit entweder keine Termine hatte ider Überbucht wurde keine Gültigkeit mehr hat?
Ich konnte bei mehreren meiner Gutscheine nicht einen Termin wahrnehmen da es keinen gab und werde nun vertröstet das diese leider abgelaufen seien.
Wenn zwei Parteien der Meinung sind, im Recht zu sein, muss das jemand entscheiden. Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung? Dann könnte man versuchen, herauszubekommen, wer denn nun wirklich Recht hat.