Nun spricht selbst VW-Chef Herbert Diess im Zusammenhang mit dem Abgasskandal von Betrug. Öffentlich. Vor laufender Kamera. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz vom 18. Juni 2019 sagte er wörtlich: „Das, was wir gemacht haben, war Betrug, ja.“
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Das ist ein ganz neuer Zungenschlag in der VW-Rhetorik zum Abgasskandal. Hier ist sonst eher von Umschaltlogik als unzulässigen Abschalteinrichtungen die Rede. Betrug hatte VW bisher nur in den USA zugegeben, in Deutschland den Vorwurf aber vehement zurückgewiesen. In vielen Gerichtssälen glaubt man VW ohnehin nicht mehr. Die Lister verbraucherfreundlicher Urteile im Abgasskandal wird immer länger. Zahlreiche Gerichte haben VW inzwischen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verurteilt.
Nun spricht ausgerechnet VW-Chef Diess bei Markus Lanz von Betrug. Dieser eine Satz nur, mehr ist ihm auf Nachfrage nicht zu entlocken. Aus Sicht des VW-Konzerns dürfte er damit aber schon genug Schaden angerichtet haben. Die Rechtsabteilung versucht schnell, die Aussagen zu relativieren. Sie sei nicht rechtstechnisch zu verstehen und ändere nichts an der rechtlichen Position von Volkswagen.
Dennoch: „Die Aussage steht im Raum und lässt sich nicht mehr leugnen. Für VW wird es dadurch bei künftigen Schadensersatzklagen noch deutlich schwieriger, die Hände in Unschuld zu waschen. Oder anders herum: Die Chancen der geschädigten VW-Kunden Schadensersatzansprüche durchzusetzen, sind durch diese Aussage noch einmal deutlich gestiegen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.
Dass die Aussage des VW-Chefs Wirkung zeigt, wird vor dem Landgericht Oldenburg deutlich. In einem Beschluss vom 3. Juli 2019 bringt das Gericht deutlich zum Ausdruck, dass es erhebliche Zweifel daran habe, dass der VW-Chef nur eine unbedachte spontane Aussage getätigt habe, ohne deren brisanten Erklärungswert zu überblicken (Az.: 6 O 1791/18).
„Wenn der VW-Chef öffentlich von Betrug spricht, ist das ganz sicher ein weiterer Meilenstein für Schadensersatzanklagen im Abgasskandal“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationspartner der IG Dieselskandal. Vor diesem Hintergrund lohnt sich auch die Überlegung, sich von der Musterklage gegen VW wieder abzumelden und stattdessen seine Rechte im Wege der Einzelklage durchzusetzen. „Bis im Musterverfahren eine rechtskräftige Entscheidung steht, werden voraussichtlich mehrere Jahre vergehen. Die Einzelklage führt deutlich schneller zum Ziel“, so Dr. Hartung.