In der aktuellen Situation sind T6-Fahrer dankbar für jede Art von Information und Unterstützung, die sie bekommen können – denn von VW selbst gibt es kaum relevante Informationen zur Rückruf 23Z7. Dabei braucht es Sachkenntnis, vor allem wenn das weitere taktische Vorgehen auszurichten ist.
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Rechtsanwältin Nicole Bauer, Kooperationsanwältin der IG Dieselkandal, geht davon aus, dass der Rückruf in Kürze realisiert wird und es dann doch etwas mehr Transparenz gibt. Es ist auch durchaus spannend zu erfahren, welche Fahrzeuge denn letztendlich betroffen sind.
Ist der Rückruf erst einmal als Zwangsmaßnahme bei den Eigentümern angekommen, dann liegt zweifellos ein dadurch dokumentierter Sachmangel bei den betroffenen Fahrzeugen vor. Daran haben die Kooperationsanwälte der IG Dieselskandal keinen Zweifel.
Bauer: „Jedoch sind eine Vielzahl von weiteren juristischen Feinheiten herauszuarbeiten. Hier sind wir vorbereitet.“
Um die Komplexität des Themas „T6-Rückruf“ zu verstehen, muss man tief in der Werkzeugkiste für Juristen kramen.
Durch Abschluss des Kaufvertrages wurde gegen das Verbot des § 27 Abs. 1 EG-FGV verstoßen, wonach neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgeschrieben ist, im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Dies hat die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge.
Wäre die Übereinstimmungsbescheinigung immer gültig, auch wenn sie materiell unrichtig ist, hätte ein privates Unternehmen – der Hersteller – es in der Hand, die Voraussetzungen für einen behördlichen Rechtsakt – die Zulassung durch die Zulassungsstelle – nach Belieben zu schaffen. Erst wenn ein anderer behördlicher Akt durch das Kraftfahrtbundesamt hinzukäme, würde die Macht des privaten Unternehmens wieder eingeschränkt. Die Stärkung des Einflusses privater Unternehmen auf das Zulassungsverfahren war jedoch nicht Zweck des Erlasses der Richtlinie, sondern eine Vereinfachung des Zulassungsverfahrens. Die Einzelprüfung der Gesetzmäßigkeit jedes Fahrzeugs durch die Zulassungsstelle sollte durch ein einmaliges Prüfverfahren ersetzt werden, dessen Ergebnisse nur aufgrund der Vertrauenswirkung der Übereinstimmungsbescheinigung für sämtliche Einzelfahrzeuge als richtig zugrunde gelegt werden sollten. Die Ersetzung des einzelnen behördlichen Prüfverfahrens durch ein einmaliges beispielhaftes Prüfverfahren kann jedoch nur dann gelten, wenn es sich tatsächlich um ein Fahrzeug mit identischer Herstellung handelt.
Anderenfalls läge es im Verantwortungsbereich des Herstellers als privates Unternehmen, durch fahrlässig oder vorsätzlich unrichtige Übereinstimmungsbescheinigungen über die Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs zu bestimmen. Die Auslagerung hoheitlicher Aufgaben und Prüfungen war jedoch gerade nicht Sinn und Zweck der Schaffung des Systems der EG-Typengenehmigung/Übereinstimmungsbescheinigung.
Diese besondere, beweisrechtliche Bedeutung der Übereinstimmungsbescheinigung hat der Gesetzgeber dadurch unterstrichen, dass gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV die Übereinstimmungsbescheinigung fälschungssicher sein muss. Art. 18 Abs. 3 RiLi 2007/46/EG stellt hierzu klar, dass zu diesem Zweck das Papier entweder durch farbige grafische Darstellungen oder das Herstellerzeichen als Wasserzeichen geschützt sein muss.
Es muss daher dafür Sorge getragen werden, dass nicht durch einen Dritten eine „falsche“ Übereinstimmungsbescheinigung hergestellt werden kann. Aus dieser ausdrücklichen Vorsorge ergibt sich jedoch gerade der Gedanke des Gesetzgebers, unter allen Umständen eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung aus dem Rechtsverkehr herauszuhalten. Nichts anderes darf daher gelten, wenn eine Übereinstimmungsbescheinigung von Anfang an unrichtig ist.
RAin Bauer: „Kommt man zur Nichtigkeit, hat dies auch Auswirkungen auf die zu beachtenden Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs. Unabhängig von einer bereits abgelaufenen Gewährleistungsfrist können gegenüber dem Händler Ansprüche infolge der Nichtigkeit über die Gewährleistungspflicht hinaus geltend gemacht werden können.“
Bleibt abzuwarten, ob sich die Argumentation zur Nichtigkeit durchsetzt. Abwegig ist dies aber keineswegs.
Die IG Dieselskandal wird alle Betroffenen auf dem Laufenden halten.