Das wurde auch Zeit: Gleich mit drei Urteilen hat das Landgericht Stuttgart die Daimler AG zu erheblichem Schadensersatz verurteilt. Erstmals gibt es damit eine Entscheidung zum so genannten „Thermischen Fenster“, das Mercedes bislang immer als „Bauteileschutz vor Ăberhitzung“ dargestellt hatte und nicht als unzulĂ€ssige Abschaltvorrichtung. Die noch nicht rechtskrĂ€ftigen Urteile dĂŒrften eine Klagewelle auslösen, denn mit den aktuellen Urteilen wird es unzĂ€hligen potentiellen KlĂ€gern besser gelingen, Rechtsschutzversicherungen zur Finanzierung der teuren Verfahren zu gewinnen. Die Urteile gegen Mercedes sind ein Meilenstein in der Aufarbeitung des Dieselskandals. Es gab zwar schon Urteile, aber niemals so klare Aussagen zur Existenz einer Abschaltvorrichtung.
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Medienberichte nennen Schadensersatzsummen zwischen 25.000 und 40.000 Euro. RechtskrĂ€ftig sind die Urteile noch nicht. Es gilt als sicher, dass Mercedes in die Berufung geht und sich das Oberlandesgericht weiter mit der Sache befassen wird. Vom Potential her dĂŒrfte sogar ein weiteres Musterverfahren Sinn machen.
Daimler bleibt dabei: Man habe gegen keine Gesetze verstoĂen. Der Schutz von wichtigen Bauteilen ginge vor und dieses Vorgehen sei auch durch eine EU-Richtlinie legitimiert. Kritiker hatten immer dagegen argumentiert, dass Mercedes die EU-Richtlinie zum Bauteileschutz zu weit auslegt um durch gezielte Abschaltung der Abgasreinigung im Realbetrieb mehr Leistung und weniger Verbrauch realisieren zu können. Grenzwerte wurden demnach nur auf dem PrĂŒfstand eingehalten.
Urteile gegen Mercedes lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llig
Szenekenner halten die Urteile mit klaren Definitionen der Daimler-Abschaltvorrichtungen fĂŒr lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llig, denn die Behörden haben die Daimler AG diesbezĂŒglich bislang mit Samthandschuhen angefasst. Das „Thermische Fenster“ ist in der Bedeutung nicht wesentlich weniger markant als die Manipulationen von VW an 2,6 Millionen EA189-Motoren. Der Mercedes-Abgasskandal dĂŒrfte bis zu 3 Millionen Autos in der Schadstoffklasse 5 treffen und damit Autos, die in den letzten zehn Jahren „unter dem Stern“ zugelassen worden sind. Kleiner Unterschied: VW hatte die Manipulationen zugegeben.
Die KooperationsanwĂ€lte der IG Dieselskandal empfehlen, jetzt zeitnah MaĂnahmen zur Geltendmachung von SchadensersatzansprĂŒchen einzuleiten.
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Welche Modelle sind betroffen?
Die Aussagen zum „Thermischen Fenster“ betreffen alle Mercedes-Diesel der Schadstoffklassen 5 und 6 – ausnahmslos. Das Thema ist alles andere als neu: Daimler hatte bereits im Juli 2017 fĂŒr mehr als drei Millionen Diesel-Fahrzeuge ein freiwilliges Software-Update angekĂŒndigt. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verpflichtete das Unternehmen im Mai 2018 1.400 Transporter des Vito mit 1,6-Liter-Motor zurĂŒckzurufen. Nur wenig spĂ€ter folgten RĂŒckrufaktionen fĂŒr mehrere Massemodelle, u.a. den GLC 220. Von ZwangsrĂŒckrufen des KBA waren aber bislang nur Modelle der Schadstoffklasse 6b betroffen – insgesamt in Deutschland 280.000 Autos.
Erste Hilfe fĂŒr Mercedes-Besitzer
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Details zum Verfahren 23 O 178/18
Zum Aktenzeichen 23 O 178/18 ging es um einen E250 CDI BlueEffiCIENCY aus dem Baujahr 2011. Das Fahrzeug gehört zur Schadstoffklasse 5 und wird von einem Motor des Typs OM651 angetrieben.
UrteilsbegrĂŒndung
1. Wird die AbgasrĂŒckfĂŒhrung, die zur Reduktion des StickoxidausstoĂes (NOx) in einem Kraftfahrzeug eingesetzt wird, bei niedrigen AuĂentemperaturen reduziert (sog. âThermofensterâ), stellt dies eine (unzulĂ€ssige) Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar. Unerheblich ist, in welchem MaĂ die AbgasrĂŒckfĂŒhrung reduziert wird, da Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 nicht nach dem Grad der VerĂ€nderung des Emissionskontrollsystems differenziert.
2. Eine solche Abschalteinrichtung ist nicht ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG VO 715/2007 zum Zwecke des Motorschutzes zulĂ€ssig, wenn andere technische Lösungen – nach der jeweils besten verfĂŒgbaren Technik, unabhĂ€ngig davon, ob diese wirtschaftlich erheblich teurer sind – vorhanden sind. HierfĂŒr obliegt dem Hersteller eine sekundĂ€re Darlegungslast.
3. Mit der Nachweispflicht nach Art. 3 Nr. 9 der DurchfĂŒhrungs-Verordnung (EG VO Nr. 692/2008) hat der Verordnungsgeber ĂŒberdies fĂŒr Fahrzeuge klargestellt, dass es fĂŒr ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann.
4. Nicht notwendig und damit unzulĂ€ssig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorgesichtspunkten nahezu ununterbrochen arbeitet (bei AuĂentemperaturen von unter 7° Celsius) und damit den Zielsetzungen der Verordnung zuwiderlĂ€uft.
5. Dem Hersteller obliegt auch eine sekundĂ€re Darlegungslast bezĂŒglich der Kenntnis des Vorstands vom Einsatz einer solchen unzulĂ€ssigen Abschalteinrichtung.
6. Der Anspruch gegen den Hersteller des Motors kann sowohl auf § 826 BGB als auch auf § 831 BGB gestĂŒtzt werden (âWahlfeststellungâ).
7. Dem KlÀger steht gegen den Hersteller nach § 849 BGB ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 % ab Bezahlung des Kaufpreises zu.
Details zum Verfahren 23 O 172/18
UrteilsbegrĂŒndung1. Wird die AbgasrĂŒckfĂŒhrung, die zur Reduktion des StickoxidausstoĂes (NOx) in einem Kraftfahrzeug eingesetzt wird, bei niedrigen AuĂentemperaturen reduziert (sog. âThermofensterâ), stellt dies eine (unzulĂ€ssige) Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar. Unerheblich ist, in welchem MaĂ die AbgasrĂŒckfĂŒhrung reduziert wird, da Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 nicht nach dem Grad der VerĂ€nderung des Emissionskontrollsystems differenziert.
2. Eine solche Abschalteinrichtung ist nicht ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG VO 715/2007 zum Zwecke des Motorschutzes zulĂ€ssig, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfĂŒgbaren Technik – unabhĂ€ngig davon, ob diese wirtschaftlich erheblich teurer sind – vorhanden sind. HierfĂŒr obliegt dem Hersteller eine sekundĂ€re Darlegungslast.
3. Mit der Nachweispflicht nach Art. 3 Nr. 9 der DurchfĂŒhrungs-Verordnung (EG VO Nr. 692/2008) hat der Verordnungsgeber ĂŒberdies fĂŒr Fahrzeuge klargestellt, dass es fĂŒr ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann.
4. Nicht notwendig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorgesichtspunkten nahezu ununterbrochen arbeitet (bei AuĂentemperaturen von unter 7° Celsius) und damit den Zielsetzungen der Verordnung zuwiderlĂ€uft.
5. Dem Hersteller obliegt auch eine sekundĂ€re Darlegungslast bezĂŒglich der Kenntnis des Vorstands vom Einsatz einer solchen unzulĂ€ssigen Abschalteinrichtung.
6. Der Anspruch gegen den Hersteller des Motors kann sowohl auf § 826 BGB als auch auf § 831 BGB gestĂŒtzt werden (âWahlfeststellungâ).
7. Dem KlÀger steht gegen den Hersteller nach § 849 BGB ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 % ab Bezahlung des Kaufpreises zu.
Details zum Verfahren 23 O 180/18
Das dritte Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 23 O 180/18 gefĂŒhrt. StreitgegenstĂ€ndliches Fahrzeug war eine C-Klasse.
UrteilsbegrĂŒndung
1. Wird die AbgasrĂŒckfĂŒhrung, die zur Reduktion des StickoxidausstoĂes (NOx) in einem Kraftfahrzeug eingesetzt wird, bei niedrigen AuĂentemperaturen reduziert (sog. âThermofensterâ), stellt dies eine (unzulĂ€ssige) Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar. Unerheblich ist, in welchem MaĂ die AbgasrĂŒckfĂŒhrung reduziert wird, da Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 nicht nach dem Grad der VerĂ€nderung des Emissionskontrollsystems differenziert.
2. Eine solche Abschalteinrichtung ist nicht ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG VO 715/2007 zum Zwecke des Motorschutzes zulĂ€ssig, wenn andere technische Lösungen, nach der jeweils besten verfĂŒgbaren Technik – unabhĂ€ngig davon, ob diese wirtschaftlich erheblich teurer sind – vorhanden sind. HierfĂŒr obliegt dem Hersteller eine sekundĂ€re Darlegungslast.
3. Mit der Nachweispflicht nach Art. 3 Nr. 9 der DurchfĂŒhrungs-Verordnung (EG VO Nr. 692/2008) hat der Verordnungsgeber ĂŒberdies fĂŒr Fahrzeuge klargestellt, dass es fĂŒr ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann.
4. Nicht notwendig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorgesichtspunkten nahezu ununterbrochen arbeitet (bei AuĂentemperaturen von unter 7° Celsius) und damit den Zielsetzungen der Verordnung zuwiderlĂ€uft.
5. Dem Hersteller obliegt auch eine sekundĂ€re Darlegungslast bezĂŒglich der Kenntnis des Vorstands vom Einsatz einer solchen unzulĂ€ssigen Abschalteinrichtung.
6. Der Anspruch gegen den Hersteller des Motors kann sowohl auf § 826 BGB als auch auf § 831 BGB gestĂŒtzt werden (âWahlfeststellungâ).
ErklÀrung
Das Gericht folgte den AusfĂŒhrungen der KlĂ€ger, nachdem die Steuerung des „Thermischen Fensters“ die AbgasrĂŒckfĂŒhrung bei niedrigen Temperaturen heruntersetzt. Daimler konnte im Verfahren zwar anbringen, dass diese Regelung dem Schutz wichtiger Bauteile diene, konnte aber nicht substanziell vortragen, wann die Abschaltung eintritt und welche Reduktion eintritt. Die anschlieĂenden schriftlichen AusfĂŒhrungen zum Versottungsrisiko ĂŒberzeugten das Gericht nicht. Die Abschaltung erfolge unter 7 Grad Umgebungstemperatur und bedinge bis zu 30 Grad Minus eine Verringerung der Systemtaktung um bis zu 45 %. Dies alles entsprĂ€che der EU-Verordnung 715/2007. Diese Stellungnahme reichte nicht aus. Das Gericht verurteilte die Daimler AG in allen drei FĂ€llen zu hohem Schadensersatz.
Zitat: … EA189-Motoren…. VW hatte die Manipulationen zugegeben.
Das ist eben beim T5 NICHT der Fall. VW behauptet da weiter die zugegebene Abschaltung sei zulĂ€ssig…
Das gleiche miese Spiel und alle Bulli Fahrer stehen im Regen !!!
FĂŒr den T5 gab es aber auch keine R
ĂŒckrufaktion wie fĂŒr alle anderen EA189 – das macht den Unterschied.