Prägend für die Zumutbarkeit des Lärms, der beim Zusammenleben von Menschen entsteht, war bisher sowohl im Miet- wie auch im Wohnungseigentumsrecht der Begriff der Zimmerlautstärke. Der bedeutet, dass jeder in seinen eigenen vier Wänden tun und lassen kann, was ihm beliebt. Die dadurch entstehenden Geräusche aber nicht über die Wohnung hinausdringen dürfen.
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Eine Ausnahme gibt es bislang für Kinderlärm, der als sozialadäquat von den Mitbewohnern zu akzeptieren ist.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Urteil vom 26.10.2018 diese Grenze verschoben und auch das häusliche Musizieren als sozialadäquate Freizeitbeschäftigung eingestuft“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Pliester, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei MBK Rechtsanwälte. In dem zu Grunde liegenden Fall ging um einen Berufsmusiker, der im Erdgeschoss und in einem Proberaum im Dachgeschoss eines Reihenhauses maximal 180 Minuten am Tag und regelmäßig nicht mehr als an ein bis zwei Tagen pro Woche unter Berücksichtigung der Mittags- und Nachtruhe Trompete spielte. Zudem unterrichtete er zwei Stunden wöchentlich externe Schüler. Dies störte den Eigentümer des benachbarten Reihenhauses. Der Trompetenspieler unterlag in beiden Instanzen und obsiegte letztendlich beim Bundesgerichtshof, der die Sache an das Landgericht zurückverwies.
Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass das häusliche Musizieren einschließlich des dazu gehörigen Übens zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung gehört und damit aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen in gewissen Grenzen hinzunehmen ist, weil es einen wesentlichen Teil des Lebensinhaltes bietet und von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude und das Gefühlsleben sein kann. Der Bundesgerichtshof hat damit dem häuslichen Musizieren den Status der Sozialadäquanz verliehen und es damit auf dieselbe Ebene wie den Kinderlärm gestellt.
Zum Schutz der Nachbarn hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass Ruhezeiten einzuhalten sind und dass sich diese an den üblichen Ruhezeiten zu orientieren haben. Er hat einen gewissen Gestaltungsspielraum attestiert, den letztendlich der Tatrichter festlegen muss.
In dem vom V. Zivilsenat entschiedenen Fall ging es um den Streit zweier Grundstückseigentümer (Az.: V ZR 143/17). Es dürften aber auch im Verhältnis von Mieter und Vermieter oder zwischen einzelnen Wohnungseigentümer dieselben Grundsätze zukünftig anzuwenden sein. Inwieweit die in fast allen Mietverträgen, wenigstens aber in den Hausordnungen, enthaltenen Einschränkungen der Lärmbelästigungen vorranging sind und hier eine andere Sichtweise rechtfertigen, wird die Rechtsprechung in Zukunft zu entscheiden haben.
Rechtsanwalt Pliester: „Folgt man der Begründung des V. Zivilsenates, der das Musizieren als Recht der Entfaltung der Persönlichkeit ansieht und es damit dem Schutzbereich des Art. 2 GG unterstellt, dann dürften dieses Recht einschränkende Regeln zumindest in Hausordnungen unwirksam sein. Im Rahmen von Mietverträgen kommt es möglicherweise darauf an, ob diese generelle Verbote aussprechen oder aber Entscheidungen im Einzelfall zulassen.“