Thermofenster bei Mercedes – EuGH soll über unzulässige Abschalteinrichtung entscheiden

Handelt es sich bei dem sog. Thermofenster, das Daimler bei der Abgasreinigung bei zahlreichen Mercedes-Modellen einsetzt, um eine unzulässige Abschalteinrichtung? Diese Frage beschäftigt hierzulande die Gerichte und demnächst wohl auch den EuGH. Das Landgericht Stuttgart beabsichtigt, den EuGH einzuschalten. Dieser soll klären, ob Daimler eine unzulässige Abschalteinrichtung einsetzt. Das geht aus einer Verfügung des LG Stuttgart vom 8. Oktober 2019 hervor.

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Verschiedene Gerichte, u.a. auch das LG Stuttgart, haben bereits entschieden, dass das Thermofenster einer unzulässige Abschalteinrichtung ist und Daimler zum Schadensersatz verurteilt. „Nun soll der EuGH für Klarheit und Rechtssicherheit in dieser Frage sorgen“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte, aus Stuttgart. Er hat für den Halter eines Mercedes Vito Tourer 2,2 Liter mit der Abgasnorm Euro 6 auf Schadensersatz geklagt. Das Modell ist bislang nicht von einem offiziellen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt betroffen.

Die Frage einer unzulässigen Abschalteinrichtung betrifft aber nicht nur den Vito, sondern auch zahlreiche andere Mercedes-Modelle. „Darum ist die Frage, ob es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt von grundsätzlicher Bedeutung“, so Rechtsanwalt Gisevius.

Daher beabsichtigt das LG Stuttgart den EuGH einzuschalten. Der Europäische Gerichtshof soll klären, ob es sich bei dem Thermofenster, das dafür sorgt, dass die Abgasreinigung in bestimmten Temperaturbereichen reduziert bzw. abgeschaltet wird, um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt oder ob Daimler sich auf eine Ausnahmeregelung berufen kann und die Funktion notwendig ist, um den Motor vor Schäden zu schützen, wie der Autohersteller behauptet.

Zudem weist das LG Stuttgart Daimler vorläufig auf seine sekundäre Darlegungslast hin. Ein Kläger habe keinen Einblick in die betriebsinterne Organisation und Abläufe oder ob es Anweisungen zur Auslegung einer Gesetzesvorschrift gegeben hat. Bei der Frage, ob die Käufer sittenwidrig geschädigt wurden, komme es aber darauf an, auf welche Art und Weise die Typengenehmigung erreicht wurde und wie die Abschalteinrichtung die Abgassteuerung beeinflusst. Ob durch die Verwendung eines Thermofensters nur eine Gesetzeslücke ausgenutzt wurde oder dadurch die Typengenehmigung wettbewerbswidrig erschlichen wurde könne nur festgestellt werden, wenn der Hersteller entweder entsprechende Daten offenlegt oder feststeht, dass der Einsatz eines Thermofensters nach der EG-Verordnung Nr. 715/2007 zulässig oder unzulässig ist.

Sollte die Verwendung des Thermofensters unzulässig sein, müsse geklärt werden, ob der Hersteller sittenwidrig gehandelt und die Kunden vorsätzlich geschädigt hat, führte das LG Stuttgart weiter aus. Unwesentlich sei hingegen, ob es bereits einen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt gegeben habe. Es gebe keine Verpflichtung die Quellcodes gegenüber der Behörde offenzulegen. Ohne Rückgriff auf die Quellcodes der Motorsteuerungssoftware könne aber auch das KBA die Verwendung von Abschalteinrichtungen nicht feststellen. Aus einem fehlenden Rückruf könne daher nicht der Schluss gezogen werden, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, so das LG Stuttgart.

Sollte sich herausstellen, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, so müsste Daimler nach Ansicht des Gerichts die Quellcodes der Motorsteuerungssoftware gegenüber dem Gericht offenlegen.

„Durch die Thermofenster wird die Abgasreinigung bei bestimmten Außentemperaturen und damit auch für einen langen Zeitraum reduziert bzw. abgeschaltet. Von einer Ausnahmesituation kann daher keine Rede sein. Deshalb ist davon auszugehen, dass der EuGH zu dem Schluss kommt, dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt“, sagt Rechtsanwalt Gisevius.

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