Ein Kind kommt mit schweren Hirnschädigungen zur Welt. Das OLG Hamm sieht grobe Behandlungsfehler dafür zumindest mitursächlich und spricht dem Kind Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zu.
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Aufgrund eines groben Behandlungsfehlers kommt ein Kind mit einer schweren Hirnschädigung zur Welt. Die dauerhaften körperlichen und geistigen Schäden hätten nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm vermieden werden können, wenn der Gynäkologe die Entbindung rechtszeitig eingeleitet hätte. Mit Urteil vom 19.03.2018 entschied das OLG, dass der Arzt dem Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zahlen muss (Az.: 3 U 63/15).
In dem zu Grunde liegenden Fall hatte sich die Mutter in der Praxis eines Facharztes für Gynäkologie und Geburtshilfe untersuchen lassen. Dabei wurde ein CTG erstellt, dessen Auswertung einen auf eine Sauerstoffunterversorgung hinweisenden Befund des Kindes ergab. „Schon aufgrund dieses Befundes hätte das Kind schnellstmöglich entbunden werden müssen“, sagt Rechtsanwalt Andreas Lambrecht aus Berlin. Der Gynäkologe nahm das CTG jedoch erst nach 50 Minuten und damit mindestens 30 Minuten zu spät zur Kenntnis. Zudem forderte er die Mutter nach notwendigen weiteren Untersuchungen auf, zunächst nach Hause zu fahren, ihre Tasche zu packen und sich in die Klinik zu begeben. So ging noch einmal wertvolle Zeit verloren.
Nach Ansicht des OLG Hamm, das sich auf ein Sachverständigengutachten stützte, verzögerte sich die Entbindung insgesamt um mindestens 45 Minuten. Diese Verzögerung sei zumindest mitursächlich für die schwere Hirnschädigung des Kindes gewesen. Anders als das Landgericht gab das OLG Hamm der Klage des Kindes auf Schadensersatz statt und sprach ihm Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zu.
In der Gesamtschau habe der Arzt die Mutter grob fehlerhaft behandelt, begründete das OLG das Urteil. Ein CTG müsse gewöhnlich spätestens nach 20 Minuten zur Kenntnis genommen werden. Dies sei hier erst nach 50 Minuten geschehen. Zudem hätte die Mutter unverzüglich in ein Krankenhaus gebracht und ihr der Ernst der Lage hinreichend verdeutlicht werden müssen.
„Hätte der Gynäkologe fachgerecht reagiert, hätte das Kind möglicherweise ein unbeschwertes Leben führen können. Insofern ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro noch eher als zu gering zu bewerten“, so Rechtsanwalt Lambrecht.