Bei einer Razzia beim größten Wohnungsvermieter Europas am 7. März 2023 standen wohl Korruptionsvorwürfe im Mittelpunkt. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln aktuell wegen des Anfangsverdachts der Korruption und der Bestechlichkeit – im Laufe einer Razzia wurden am Unternehmenssitz der Vonovia Wohnungsbaugesellschaft in Bochum Unterlagen und Datenträger gesichert. Die Beweismittel werden nun ausgewertet werden. Die Ermittler werfen Mitarbeitern vor, dass sie sich von Bau- und Handwerksfirmen schmieren ließen und sogenannte „Kickbacks“ kassierten. Es ging dabei um die Vergabe von Aufträgen und Abrechnung von Leistungen, die nicht erbracht wurden. Vor rund 20 Jahren hatte es in gleicher Sache bereits eine Razzia bei einem Vorgängerunternehmen (Veba) gegeben.
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Die Korruptionsvorwürfe gegen Mitarbeiter und sogenannte Nachunternehmer werden nun inhaltlich und kriminaltechnisch ausgewertet. Unter Nachunternehmen versteht man externe Dienstleister, aber auch kleinere Gesellschaften, die unter dem Firmendach in dessen Auftrag Arbeiten und Dienstleistungen ausführen. Und eben darum geht es wohl, also um die regelmäßige Beauftragung von Nachunternehmen und damit verbundenen Geld- oder Sachleistungen. Im Einzelnen ist es wohl um das Frisieren von Leistungsverzeichnissen gegangen, damit Dienstleistungen ausgeführt werden konnten, die später gar nicht ausgeführt werden mussten.
Die Vonovia Konzern-Leitung zeigt sich überrascht und betroffen. Eine umfangreiche Kooperationsbereitschaft wurde bereits veröffentlicht. Man habe großes Interesse an der Aufklärung, schließlich sei das Unternehmen selbst schwer geschädigt worden – in welchem Ausmaß, darüber schweigen sich alle Beteiligten aus. Weder vom Unternehmen noch von der Staatsanwaltschaft gibt es Informationen dazu. Im Netz kursieren allerdings Aussagen von Analysten, die nicht von wirklich weltbewegenden Schadenssummen ausgehen. Für Experten ist das aktuelle Ereignis aber auf jeden Fall ein Beweis für die Notwendigkeit der Integration und der Umsetzung eines funktionierenden Compliance-Managements in größeren Unternehmen. Nur im Rahmen solcher Maßnahmen können solche Dinge frühzeitig aufgedeckt werden, idealerweise bevor größere Schäden und auch ein Imageverlust eintreten.
An den Standorten in Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen wurden mehr als 40 Privat- und Büroräume durchsucht. Für einige Mitarbeiter endete der Arbeitstag frühzeitig. Vier Haftbefehle wurden sofort vollstreckt und die Vonovia Mitarbeiter abgeführt. Ermittlungen richten sich aber auch an Mitarbeiter, die nicht, oder nicht mehr zum Unternehmen gehören. Nach dem Wechsel eines der Beschuldigten zur GWG-Gruppe war es auch hier zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Bei Ausschreibungen waren auch hier Absprachen getroffen haben zum Nachteil anderer Mitbewerber. Anschließend kam es dann wohl zu überhöhten Abrechnungen.
Vonovia und die GWG-Gruppe können über die Razzia nicht glücklich sein, zumal es den eigenen Systemen offenbar nicht gelingen konnte, Korruption zu verhindern. Mitte März wollte man Geschäftszahlen veröffentlichen und weiter erklären, warum – wie bereits angekündigt – in absehbarer Zeit keine Bauprojekte mehr begonnen werden sollen. Dies hatte man bereits vor Wochen mit Hinweis auf explodierende Kosten und steigende Zinsen angekündigt.
Anteilseignern und Öffentlichkeit warten auf Erklärungen, auch in Bezug auf die Höhe des Schadens und auf Pläne, wie man solche Sachen in Zukunft vermeiden will. Der Aktienwert des DAX-Konzerns sank nach der Razzia, beruhigte sich aber wieder. Ob sich aus dem vermeintlichen Komplettversagen der Unternehmenscompliance irgendwann Schadenersatzansprüche der Aktionäre ableiten lassen, steht offen.