Razzia bei Anlegerschutzkanzlei

Razzia bei Anlegerschutzkanzlei: Wie das Online-Magazin „kapitalschutz.de“ berichtete, hat die Staatsanwaltschaft die Schlinge um eine bekannte „Anlegerschutzkanzlei“ in Jena enger gezogen. Im Rahmen einer groß angelegten Razzia wurden nach einer offiziellen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Gera und des Landeskriminalamtes Thüringen vom 13.06.2017 Hausdurchsuchungen durchgeführt.

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Die Behörden führen gegen mehrere Angehörige dieser Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Jena und weitere Beteiligte ein Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen: 201 Js 35033/15) wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit strafbarer Werbung. Unter den Beschuldigten befinden sich mehrere Rechtsanwälte.

Fünfzehn Objekte in Thüringen, Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurden zur Beweissicherungen von Beamten des Thüringer Landeskriminalamtes, der Landespolizeidirektion Jena, und weiterer Polizeidienststellen durchsucht. Nach Angaben des Landeskriminalamtes wurden vier Terabyte Daten und 1.600 Mandantenakten in Papierform sichergestellt.

Exkurs:
Verdachtsmomente gab und gibt es immer wieder: Die Zeitschrift test berichtete schon im Mai 2016 über die Aufnahme von Untersuchungen gegen die Jenaer Kanzlei PWB (Kanzlei am Roten Turm).

Gegen die nun beteiligten Personen laufen zahlreiche Strafanzeigen – es besteht der Verdacht, dass mehrere tausend Kapitalanleger, deren Kapitalanlagen in Schieflage geraten waren, unter Einbindung vermeintlich unabhängiger Anlegerschutzvereine angeschrieben wurden. Mit Hilfe dieses umfangreichen Adressmaterials konnten zahlreiche Mandate für die Durchsetzung von Ansprüchen gewonnen werden, obwohl es für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kaum Erfolgsaussichten gab.

Udo Schmallenberg Schmallenberg Schmallenberg, Journalist und Herausgeber von kapitalschutz.de: „Diese Razzia hätte allerdings ungleich mehr Kanzleien treffen müssen, denn der Handel zwischen vermeintlichen Anlegerschutzanwälten und Anleger- und Vermittler-Vereinigungen floriert. Wenn Listen mit teils an die 10.000 Opfer-Adressen an profitgierige Anwälte verschachert werden, bleibt für diese Anlegerschützer immer noch Riesengeschäft zu machen, selbst, wenn sich nur ein Bruchteil der Angeschriebenen auf diese faulen Deals einlässt!“

Auszug aus der Pressemitteilung: „Dabei sollen an die Kapitalanleger standardisierte Schreiben mit unrichtigen und irreführenden Angaben versandt worden sein. Mehrere tausend der bereits geschädigten Kapitalanleger sollen daraufhin verschiedenen in der betroffenen Rechtsanwaltskanzlei tätigen Rechtsanwälten Mandate erteilt und sich im Anschluss Gebührenforderungen durch die Kanzlei ausgesetzt gesehen haben.“
Razzia bei Anlegerschutzkanzlei – Schadenshöhe noch unbekannt

Da die Ermittlungen noch am Anfang stehen, können zur Schadenshöhe derzeit noch keine Aussagen getroffen werden.

Das Vorgehen solcher Anlegerschutzkanzleien ist denkbar einfach und basiert einzig und allein auf dem Einkauf großer Datenbestände. Diese Datenbestände können sich Anwälte z.B. bei Fondsgesellschaften holen, wenn sie auch nur einen Gesellschafter juristisch vertreten – wobei das noch eine legale Beschaffung ist. Juristisch und standesrechtlich anrüchig wird die Adresssammlung, wenn z.B. Vermittlervereinigungen versprochen wird, nicht anwaltlich gegen die Vermittler vorzugehen im Gegenzug zur Überlassung der Anlegerlisten. Das ist ein Verstoß gegen das Grundprinzip anwaltlicher Beratung, immer für den Mandanten das beste herauszuholen. Absprachen mit Vermittlern oder sonstigen möglichen Anspruchsgegnern ist „Parteiverrat“ und kann im Extremfall zum Verlust der Anwaltszulassung führen.

Viele Anwälte führen unter dem Deckmantel des Verbraucher- und Anlegerschutzes eigene Anlegerschutzvereine, finanzieren solche Initativen oder beraten diese juristisch.

Das Vorgehen ist einfach erklärt – Es wird jede Möglichkeit genutzt, an möglichst komplette Datenbestände von Opfern von floppenden Kapitalanlagen zu kommen. Schon am 10. November 2015 hatte das Verwaltungs­gericht Frank­furt am Main Anwälten der Kanzlei PWB Rechts­anwälte aus Jena vorgeworfen, bei ihren Mandanten „objektiv falsche und völlig irreale Vorstel­lungen und Erwartungen geweckt“ zu haben. Damals hatte PWB für mehr als hundert Geschädigte der insolventen BFI Bank Klagen einge­reicht. Die Kanzlei forderte darin Informationen von der Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht (Bafin). Die Klage auf Herausgabe weiterer Informationen an PWB wurde abgewiesen.

Aktuell verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Strafverfolgungsbebörden in Zukunft konkreter und intensiver gegen diese Art von Anlegerbetrug vorgehen wird. Dabei sollen weitere Anlegerschutzkanzleien und auch die entsprechenden Schutzvereinigungen im Fokus bereits aufgenommener Ermittlungen liegen.

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