Beim Landgericht Köln beschafft sich die Purzel GmbH eine Auskunftsgenehmigung um die IP-Nummern die Besitzer von Computern zu erfahren. Daraufhin versendete der Pornoverlag Purzel Video GmbH tausendfache Abmahnungen – Rechtsanwalt Lachmair aus München meint: „Das Zahlungsverlangen auf tönernen Füßen“.
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München, 02.07.2010; Die Zahl der Bundesbürger, die sich zwischenzeitlich mit unerfreulicher Post von Film- und Musikverlagen auseinandersetzen müssen, steigt ständig. In jüngster Zeit ist es eine Firma namens Purzel Video GmbH mit Sitz in Veilsdorf, Thüringen, die sich mit derartigen Abmahnungen hervor tut. Absender ist der Meininger Rechtsanwalt Marko Schiek, beigefügt ist regelmäßig eine Zahlungsaufforderung in der Größenordnung zwischen 1200 und 1300 €. Sollte man nicht zahlen, werde alles noch viel schlimmer, dann werde kostenaufwändig geklagt. Nicht wenige der Abgemahnten fallen aus allen Wolken, zumal die vermeintlich betroffenen Filmwerke, regelmäßig Pornofilme auf Amateurniveau, kaum ihrem Geschmack und Konsumgewohnheiten entsprechen dürften. Manche zahlen deshalb wohl schon, um sich der vermeintlichen Peinlichkeit eines solchen Verfahrens zu entziehen. Damit rechnen die Absender wohl auch.
In einem vergleichbaren Fall haben wir deshalb recherchiert. Wir konnten in Erfahrung bringen, dass eine Firma Excubitor UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch einen gewissen Matthias Schröder – Padewet, sich im Internet auf Tauschbörsen eingeloggt und die dortigen Anbieter nach IP – Adresse und Uhrzeit ausgespäht hat. Unter anderem wurde daraufhin die IP- Adresse einer Familie mitgeteilt, der man nun alles zutrauen kann, aber nicht, dass sie derartige Daten nicht nur besitzt, sondern auch noch zum Download bereithält. Zudem war zum strittigen Zeitpunkt noch nicht einmal ein Computer betriebsbereit.
Das Landgericht Köln hatte in diesem Zusammenhang verfügt, dass die Provider die Anschriften der Personen herausgeben sollten, denen zum strittigen Zeitpunkt die ermittelten IP – Adressen zugewiesen waren. In der Folge kam ein Abmahnschreiben, mit dem auch die besagte Zahlungsaufforderung verbunden war. Das Schreiben klärt scheinbar genau über die Art und Weise auf, wie man auf den Anschlussinhaber gekommen war. Was aber immer noch nicht erklärt, wie dieser im Zusammenhang mit einem solchen Vorgang gebracht werden kann.
Hier geben nun zwei Beschlüsse des Landgerichts Köln (Aktenzeichen 109-1/08) bzw. des Landgerichts München I Aufschluss. Speziell im Kölner Fall hat sich die 9. Große Strafkammer in Ihrer Entscheidung vom 25.09.2008 im Detail mit den Unsicherheiten bei der Ermittlung derartiger IP – Adressen auseinander gesetzt. Wörtlich kommentieren die Kölner Richter:
„Die Kammer zweifelt nicht daran, dass die Antragstellerin nach bestem Wissen und Gewissen Ihre Erkenntnisse vortragen möchte. Deren Verlässlichkeit kann das Gericht aber nicht abschätzen. Dass die Zuverlässigkeit der ausgestellten IP – Adressen nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben der Staatsanwaltschaft, die schon öfter offensichtliche Mängel bei der IP – Adressen – Auflösung beobachtet hat. So hat sie beispielsweise zunehmend beobachtet, dass bei der Abfrage von IP – Adressen Provider rückgemeldet haben, dem betreffenden Zeitpunkt habe zu der konkreten IP – Adresse keine Session gefunden werden können; dies könne – so folgert die Staatsanwaltschaft zurecht – nur bedeuten, dass unter den zur Anzeige gebrachten angeblichen Taten auch solche waren, die es nicht gegeben habe. Dies habe man nur zufällig aufdecken können, weil die angeblich benutzte IP – Adresse zum betreffenden Zeitpunkt überhaupt nicht in Benutzung gewesen sei. Ob und wie oft eine mitgeteilte IP – Adresse zur Tatzeit von einem Unbeteiligten anderweitig genutzt worden sei, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen; man könne insoweit nur Vermutungen anstellen. Derartige Fehlverknüpfungen sind nach Erfahrung der Staatsanwaltschaft auch kein seltenes oder vereinzeltes Phänomen Bei einigen Verfahren habe – so die Staatsanwaltschaft – die Quote definitiv nicht zuzuordnender IP – Adressen bei deutlich über 50% aller angezeigten Fälle gelegen, bei einem besonders eklatanten Anzeigenbeispiel habe die Fehlerquote sogar über 90% betragen.“
Diese Ausführungen, die sich auf das frühere Verfahren, in derartigen Fällen Strafanzeige zu erheben und sodann die Adressen über eine Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft herauszubekommen, beziehen, sind natürlich auf das heutige Verfahren nach § 101 Urhebergesetz übertragbar. An der Datenermittlung hat sich nichts geändert.
Hier wie dort wird mit der Markierung der geschützten Dateien mit einem so genannten „Hash- Wert“ argumentiert. Der sei es so individuell, dass er den Nachweis biete, dass eine den Urheberrechtsschutz unterliegende Datei und keine andere übertragen würde. Dieses Verfahren ist aber offensichtlich höchst fehleranfällig und deshalb alleine nicht zum Nachweis einer Urheberrechtsverletzung geeignet. Vor diesem Hintergrund wäre auch zu prüfen, ob die betreffenden Gerichte künftig überhaupt noch derartigen Auskunftsverlangen stattgeben sollten. Die Ausführungen zum Persönlichkeitsschutz, die insbesondere die Kölner und die Münchner Richter (Landgericht München I, Aktenzeichen 5 Qs 19 / 08 vom 12. März 2008) treffen, gelten auch für derartige Auskunftsverfahren.
Danach ist zudem auch klar, wie es zu unberechtigten Abmahnungen kommt. Nimmt man allerdings die genannten Entscheidungen als Grundlage, dann wird man in keinem einzigen Fall bloß mit der Behauptung, die IP – Adresse habe mit einem so genannten Hash- Wert in Verbindung gebracht werden können, den Beweis einer unberechtigten Nutzung führen können. Wenn nicht besondere Kriterien, etwa Wiederholungsfälle oder Hinweise auf eine gewerbliche Tätigkeit hinzukommen, lfd. die Abmahnungen grundsätzlich ins Leere.
Damit ist auch den Massenabmahnungen, wie sie hier vorliegen, die Grundlage entzogen. Es lohnt sich also in jedem Falle, sich zu wehren. Im Zweifel steht Ihnen Rechtsanwalt Lachmair mit entsprechendem Rat zur Seite.