Für Menschen, die unter Multiple Sklerose leiden,kann ein modernes Fußheber-System ein echter Segen sein. Die Krankenkassen dürfen die Leistung für moderne Hilfsmittel nicht verweigern, nur weil es kostengünstigere Alternativen gibt. Das hat das LSG Baden-Württemberg entschieden.
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Ein modernes und aufwendiges Hilfsmittel verspricht an Multipler Sklerose erkrankten Menschen echte Hilfe, fördert ihre Mobilität und steigert so die Lebensqualität. Das Problem: Die Krankenkassen wollen das moderne System nicht zahlen, weil es herkömmliche, kostengünstigere Hilfsmittel gibt.
„Diese Argumente von den Krankenkassen sind leider immer wieder zu hören. Allerdings können sich die Krankenkassen nicht immer hinter den Kosten verstecken. Vielmehr haben die Versicherten einen gesetzlichen Anspruch auf eine Versorgung mit Hilfsmitteln, die den Erfolg der Krankenbehandlung sichern und auch für den Ausgleich einer Behinderung sorgen. Dieser Anspruch kann gegen die Krankenkassen auch durchgesetzt werden“, sagt Rechtsanwalt Andreas Lambrecht aus Berlin.
Dass die Krankenversicherten einen Anspruch auf eine Versorgung haben, die den aktuellen Stand des medizinischen und technischen Fortschritts entspricht, zeigen zwei Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. bzw. 19. Juni 2018 (Az.: L 11 KR 1996/17 und L 4 KR 531/17). In den Fällen hatten zwei an Multipler Sklerose erkrankte Frauen, gestützt auf ärztliche Verordnungen, die Versorgung mit einem modernen Fußheber-System Ness L 300 als Hilfsmittel beantragt. Mit Hilfe dieses Systems lassen sich die Fußheber elektronisch stimulieren und die Gehfähigkeit der Erkrankten erhöhen. Die Krankenkassen wiesen die Anträge dennoch ab. Das begründeten sie damit, dass herkömmliche, kostengünstigere Methoden zur Verfügung stünden. Außerdem habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keine Empfehlung für diese Art der Krankenbehandlung abgegeben.
Nach den Urteilen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg müssen die Frauen auf das moderne Fußheber-System nicht verzichten. Auf eine Empfehlung des G-BA komme es nicht an, da das System keine neue Behandlungsmethode darstelle und den Verlauf der Erkrankung nicht beeinflussen könne. Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich habe es vielmehr zum Ziel, die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten zu verbessern. Das Gericht kam auch anhand von Videodokumentationen zu der Überzeugung, dass dieses Ziel erreicht ist. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs dürften die Versicherten nicht aus Kostengründen auf weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden, sondern haben Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihres Funktionsdefizits. „Für den konkreten Fall bedeutet das, dass die beiden Frauen Anspruch auf das moderne Fußheber-System haben. Darüber hinaus lassen sich die Urteile auch auf viele andere Fälle übertragen, in denen Versicherten moderne Hilfsmittel durch die Krankenkassen verweigert wurden“, so Rechtsanwalt Lambrecht.