Ich habe lange überlegt, ob ich meine Überlegungen zum Google Fonts-Urteil des Landgerichtes München vom 20.01.2022 zum Aktenzeichen 3 O 17493/20 veröffentlichen soll. Nach Rücksprache mit mehreren beteiligten Anwälten habe ich mich nun dazu entschlossen und möchte hinterfragen : „Wie blind ist denn Justitia nun wirklich?“
Hier einen Rechtsanwalt zu diesem Thema finden
Verbraucherschutz.tv kooperiert deutschlandweit mit vielen kompetenten Rechtsanwälten auch aus Ihrer Region. Sie sind Anwalt und möchten hier veröffentlichen? Bitte Mail an usch@talking-text.de
Das Unternehmen „Sicher3“ hat am 11. 11. 2022 über 15.000 Webseiten untersucht und mit zusätzlichen Informationen dafür gesorgt, dass sich zumindes alle „Positiv“ auf Google Fonts Gestesteten so richtig Sorgen machen, denn:
Laut einem Urteil des Münchener Landgerichts vom 20.01.2022 kann bei nachladenden Schriftarten von Google eine Schadensersatzforderung auf Dich zukommen. Dies ist vor allem darin begründet, dass Daten in die USA ohne Einwilligung des Besuchers und technischer Notwendigkeit gesendet werden.
Mit Verlaub und eben nicht: Das ist an dieser Stelle etwas übermotiviert, weil das Urteil keinerlei rechtsprägende Bedeutung hat. Zwar hat das LG München einen Beklagten verurteilt, Schadenersatz zu leisten, aber auch nur, weil der alles zugegeben und sich nicht gewehrt hat. Das Thema, ob über Google Fonts IP-Adressen ohne Einwilligung versendet werden, wurde gar nicht verhandelt.
In München wurde ein Homepagebetreiber wegen der Verwendung von Google Fonts zu Schadenersatz verurteilt. Wer sich die vorhandenen Veröffentlichungen ansieht, dem fälllt auf, dass seitens des Klägers keinerlei Verteidigung zum eigentlich Streitgegenstand stattfand.
Rechtsanwalt Grewe aus Mannheim bringt es auf seiner Homepage auf den Punkt:
Abschließend sei jedoch zu dieser Entscheidung angemerkt, dass die Entscheidung des LG München aus prozessrechtlicher Sicht in der genannten Art und Weise ausgefallen ist, da der dem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt, hier das Übermitteln von personenbezogenen Daten an Google Server in den USA, unstreitig war. Insofern wurde in dem Fall des LG München nicht thematisiert, ob tatsächlich personenbezogene Daten an Google Server in den USA transferiert wurden, denn der dortige Beklagte hatte dies im Verfahren vor dem LG München schlichtweg akzeptiert. Die Beweislast, dass Daten tatsächlich an Google Server in die USA transferiert werden, liegt bei demjenigen, der Schadenersatz fordert. Insofern könnte ein Verfahren bei entsprechender Argumentation auch mit einer Klagabweisung zu Lasten des Klägers enden.
Was bedeutet das? Ganz einfach: Der Beklagte erschien vor Gericht und es gab keinerlei Vortrag zum Vorwurf – dadurch wurde dieser unstreitig und dem Gericht blieb nichts anderes übrig, als der Klage stattzugeben. Der Kläger hätte die angebliche Datenschutzverletzung NICHT beweisen können, wenn er dazu gezwungen gewesen wäre. Dem Beklagten hätte es durchaus gelingen können, über seinen Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. f DSGVO die Google Fonts-Nutzung zu legitimieren, zumal es den unerwünschten Datentransfer laut Google ja gar nicht gibt. Dieses Verfahren hätte der Beklagte ohne großen Aufwand gewinnen können. Ich gehe einen Schritt weiter: Der Kläger hätte das Verfahren niemals aufgenommen, wenn die Möglichkeit bestanden hätte, dass er verliert.
Auszug aus der Urteilsbegründung:
Unstreitig wurde die IP-Adresse des Klägers bei Besuchen des Klägers auf der Webseite der Beklagten an Google weitergeleitet.
Da drängen sich dann mehrere Fragen auf
- Warum verteidigte sich das Opfer nicht?
- Warum wurde überhaupt geklagt?
Vor dem Hintergrund, dass die aktuellen Abmahnungswellen in Sachen Google Fonts nur Sinn machen, weil es dieses Urteil gibt muss man fragen dürfen:
- Wem nutzt das Urteil?
- Warum wurde nicht verteidigt, obwohl es schriftliche Stellungsnahmen von Google gibt, dass kein diesbezüglicher Datenaustausch stattfindet?
- Warum gibt es nur dieses eine Urteil?
Ach übrigens: Das Urteil beinhaltet eine Vertragsstrafe von 250.000 Euro – was in dieser Höhe sehr sehr ungewöhnlich ist. Der Beklagte muss 100 Euro Strafe zahlen.
Die Hohe des geltend gemachten Schadensersatzes ist im Hinblick auf die inhaltliche Schwere und Dauer der Rechtsverletzung angemessen und wird von der Beklagten auch nicht angegriffen (Urteilsbegründung)