Generell ein großes Aufatmen für alle Anschlussinhaber, die in der Vergangenheit vielen Menschen den Zugang zum Internet gewährt haben, aber auch für Familien und Wohngemeinschaften. Eine Blankohaftung von Anschlussinhabern gibt es nach einem aktuellen BGH-Urteil nicht mehr und in der Praxis stärkt das die Abwehr von Abmahnungen für Urheberrechtsverletzungen durch den betroffenen Anschluss.Rechtsanwalt Wrase aus Hamburg: „Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte mit der Zumutbarkeit der Nachforschungen umgehen und in wie weit der Inhaber verpflichtet ist den Zugang zu kontrollieren“.
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Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) für alle Inhaber von Internetanschlüssen: Eine Inhaberschaft des Internetanschlusses begründet nicht automatisch eine Haftbarkeit bei Rechtsverletzungen durch Nutzer des Internetanschlusses.
Wir zitieren den Hamburger IT-Experten: „Endlich schafft der BGH in einem am 02.06.2014 im Volltext veröffentlichten Urteil (Az.: I ZR 169/12) Klarheit: Die bloße Inhaberschaft kann nicht zwingend bedeuten, dass eine Haftung für Rechtsverletzungen vorliegt, welche durch Nutzung des betreffenden Internetanschlusses verursacht worden sind. Durch diese Entscheidung bringt der BGH eine Rechtssicherheit in ein lange Zeit nicht klar entschiedenes Gebiet seitens der Rechtsprechung.“
Um klar zu machen, in wie weit der BGH durch seine Leitsätze die Realität verändern, möchten wir es an einem Beispiel darstellen: Als Familienoberhaupt einer vierköpfigen Familie laufen Verträge mit Internetprovidern üblicherweise auf den Namen des Vaters oder der Mutter. Im Laufe der Zeit werden auch die Zöglinge erwachsener und erfreuen sich an den Möglichkeiten des Internets. Der Zugang zum heimischen W-LAN-Netzwerk mit dem eigenen Notebook des 16-jährigen Sohns ist da Grundvoraussetzung des täglichen Zusammenlebens.
Begeht der Sohn nun eine Urheberrechtsverletzung durch das Downloaden eines neuen Kinofilms, versucht der Inhaber des Urheberrechts über einen Beschluss vom Gericht zur Herausgabe der IP-Adresse durch den Provider den Inhaber des Internetanschlusses zur Rechenschaft zu ziehen (Stichwort Abmahnung). In der Vergangenheit gab es vor Gericht dutzende Fälle, in denen dann der Inhaber „haften“ musste und zwar als „Störer auf Unterlassung“. Dies wurde 2004 vom BGH (Az.: 1 ZR 394/01; I ZR 35/04) noch wie folgt begründet: „Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt.“
In der Vergangenheit reichte es auch aus Sicht des BGH demnach aus, wenn der „Störer“ (hier Inhaber) es unterlässt, Prüfungen oder gar Maßnahmen zu ergreifen, um solche Verstöße zu vermeiden. In Anbetracht des geschilderten Beispiels wäre der Vater oder die Mutter als Inhaber des Internetanschlusses in Anspruch genommen worden.
Keine Haftbarkeit des Anschlussinhabers dagegen würde nach der neuen BGH-Rechtsprechung bestehen: Trägt der Inhaber glaubhaft vor, dass Dritte Zugriff auf den Anschluss hatten oder der Anschluss nicht hinreichend gesichert war, keine eine Störerhaftung ausgeschlossen werden.
Diese Ansicht kann nach den Ausführungen des BGH auch auf Wohngemeinschaften oder andere Konstellationen übertragen werden, in denen Dritten Zugriff auf den Internetanschluss eines anderen Inhabers haben oder dieser allgemein nicht hinreichend gesichert ist.
Ganz ohne Verpflichtung kommt der Anschlussinhaber dennoch nicht davon. Aus Sicht des BGH obliegt dem Inhaber eine sekundäre Darlegungslast: Der Anschlussinhaber muss vortragen, ob anderen Personen selbstständigen Zugang zu Anschluss des Inhabers hatten und welcher dieser Nutzer als Täter der Rechtsverletzung in Frage kommt. Im Rahmen des „Zumutbaren“ ist der Täter auch zu Nachforschungen bezüglich dieser Täterschaft verpflichtet, diese Pflicht schwindet allerdings mit der Zunahme der vergangenen Zeit seit der Rechtsverletzung.
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