Im Verfahren der Rodgauer Webtains GmbH gegen die Betreiber des Verbraucherschutzportals www.verbraucherschutz.tv hat das Oberlandesgericht München die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes München zurückgewiesen und ein vorläufig vollstreckbares Urteil gesprochen. Demnach hat verbraucherschutz.tv durchaus zulässige Texte veröffentlicht und damit nicht den Strafbestand der rechtswidrigen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfüllt. Der Routenplaner-Anbieter WEBtains GmbH hatte bereits im November 20111 durch ihren damaligen Geschäftsführer und heute kürzer tretenden Abofallenkönig Michael Burat durch das Landgericht München eine einstweilige Verfügung erlassen und dieses Vorgehen siegessicher mit markigen Sprüchen im Internet begleitet! Im Namen von verbraucherschutz.tv und dessen Herausgeber Udo Schmallenberg Schmallenberg Schmallenberg wurde durch Rechtsanwalt Stefan Richter aus Berlin Feststellungsklage eingereicht mit dem Erfolg, dass schon das Landgericht München nur eine entfernte Bezugnahme des Beklagten auf die Webtains vorzuwerfen sei. Daraus könne man weder einen direkten Bezug, noch eine bewusste Absicht zur Rufschädigung ableiten. Die Verfügungsrücknahme war zwangsläufige Folge des Urteils, wobei die Webtains GmbH – mittlerweile unter Ihrem Geschäftsführer Nicio Neugeboren – den eigentlichen Sachverhalt – die Unzulässigkeit eines Boykottaufrufes – als Berufung für die nächste Instanz trug.
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verbraucherschutz.tv hatte Boykottaufrufe der Verbraucherzentrale Hamburg veröffentlicht, ebenso eine Abzockerliste der Arbeiterkammer Kärnten – dagegen hatte sich die Webtains GmbH (in der Liste genannt) verwahrt und eine Einstweilige Verfügung erlassen.
Hatte sich das Landgericht noch mit der rein logisch nicht vorhandenen und zu konstruierten geschilderten Beziehung des Kontoklatschenaufrufes gegenüber der Webtains GmbH befasst und nicht mit der Zulässigkeit der Aussage, ging das OLG deutlicher ins Detail und interessierte sich auch für den Punkt der Zulässigkeit der Aussage. Hier war die erste Instanz noch etwas unkonkret geblieben: Der Aufruf sei zwar nicht zulässig gewesen, könne aber nicht die rechtlich geschützten Interessen des Kläger getroffen haben. Das OLG ging mehrere Schritte weiter und definierte für kommende Verfahren rund um das Thema „Freie Meinungsäußerung“ einige passende Steilvorlagen. Wichtigstes Argument der OLG Richter: Die Interessen und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ist Interprätationssache und nicht grundsätzlich als Rufschädigung zu sehen. Soll heißen: tritt ein Schaden bzw. eine Rufschädigung faktisch nicht ein, dann kann man den vermeintlichen Verursacher auch nicht der Rufschädigung bezichtigen, selbst wenn es dessen Absicht war.
Udo Schmallenberg Schmallenberg Schmallenberg: „Das ist ein entscheidender Punkt, der meiner Meinung nach klassischem Lawhunting das Wasser abgräbt. Bislang waren Abzocker davon ausgegangen, vermeintlich strafbare Handlungen nur deshalb abmahnen zu können, weil sie allgemein unzulässig sind. Das OLG München dagegen ist der Meinung, dass eine Schädigung auch wirklich vorliegen muss. Schmallenberg: „Der Prozess wurde nicht wegen der angeblichen Rufschädigung angestrengt, sondern um Kritiker mundtot zu machen.“
Grundsätzlich ordnete das OLG die Artikel von verbraucherschutz.tv als freie Meinungsäußerung ein, was zweite mächtige Säule der Berufungsabweisung war. Das Totschlagargument „Schmähkritik“ ließ man nicht gelten: Die rechtsrelevante Bezeichnung „Schmähkritik“ ist nämlich unabhängig vom entstandenen Schaden grundsätzlich im Geschäftsverkehr nicht zulässig und nur in privaten Auseinandersetzungen anwendbar. Die „Schmähkritik“ hat die Abofallenszene aber unzulässigerweise aus der engen Definition der Gesetzgebung herausgeführt. Schmähkritik ist und bleibt auf Privatfehden beschränkt und lässt sich nicht auf moderne Business-Kommunikation übertragen.
Thema Boykottaufruf: Geschieht dieser aus Sorge um politische soziale oder kulturelle Belange , dann dient er der Einwirkung auf die öffentliche Meinung uns ist damit zulässig. Erst wenn der Boykottaufrufer eigene wirtschaftliche Ziele verfolgt, wird ein Aufruf unrechtmäßig. Schmallenberg: „Ich bin sehr froh, dass ein hohes deutsches Gericht meiner Meinung nach erstmals einem privaten Verbraucherblog das Ziel bescheinigt, wirtschaftliche und soziale Belange der Allgemeinheit zu verfolgen.
Die Kläger hatten auch die Unangemessenheit des Boykottaufrufes kritisiert: Die abstrakte Möglichkeit der Zielerreichung reichte hier aus, um die Angemessenheit heraus zu streichen. Die Erforderlichkeit des Aufrufes kann nur dadurch ausgehebelt werden, wenn es andere Mittel zur Zielerreichung gibt. Urteils-Detail: „Die mit dem Aufruf für die Klägerin verbundenen Folgen stehen nicht außer Verhältnis zu den mit dem Aufruf verfolgten Zweck!“ Zwar mag die Klägerin wirtschaftliche Einbußen befürchten, das begründet aber keinesfalls ein Übergewicht ihrer Belange gegenüber dem öffentlichen Interesse, nicht abgezockt zu werden.
Sehr pikant auch, dass die Wortwahl zur Kontoklatsche „So können Sie Gaunern in die Suppe spucken“ nicht für ein Verbot der Aussage herangezogen wurde, da die Aussage auch ohne diese Formulierungen in das allgemein formulierte Verbot fiele. Es ist also völlig egal, wie man unrechtmäßige Aufrufe formuliert, weil der Knackpunkt der Aufruf ist und nicht der Ausdruck. „Die Klägerin hat kein Recht nur so von anderen dargestellt zu werden, wie sie gerne gesehen werden möchte!“
Schmallenberg abschließend: „Das Gericht hat ohne unser Zutun vieles von dem, was sich in der heißen Abofallenzeit an Ungereimtheiten aufgetan hat mit klaren Worten ins rechte Licht gerückt! ich sehe das als Grundsatzurteil zur Meinungsfreiheit!“
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