FAZ macht Internet-Abzocke zum Thema

Waren Abo-Fallen und Internetabzocke bislang eher Themen für Aufdeck-Shows wie „Akte“ oder „Brisant“ nehmen seit einiger Zeit mehr und mehr große und seriöse Tageszeitungen die thematik auf. Aktuelles Beispiel: Ein Artikel auf der FAZ, den wir im Wortlaut zitieren möchten:

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Das Internet hat viele Fallen. Wer nicht aufpasst, wozu er sich mit dem Klick auf den „Button“ verpflichtet, für den kann es teuer werden. Aber die Rechtsprechung wird verbraucherfreundlicher.

Das windige Geschäftsmodell, Nutzer des weltweiten Netzes beiläufig zum Abschluss von teuren Abonnements zu verleiten, hat allen Warnungen zum Trotz von Verbraucherschützern weiter KonjunkturDas windige Geschäftsmodell, Nutzer des weltweiten Netzes beiläufig zum Abschluss von teuren Abonnements zu verleiten, hat allen Warnungen zum Trotz von Verbraucherschützern weiter Konjunktur.

Wer die kürzeste Strecke von A nach B sucht, der befragt immer öfter das Internet. Wenn im Routenplaner ein Gewinnspiel blinkt und der „Button“ so verführerisch glänzt, können viele nicht widerstehen und klicken einmal kurz darauf – mit bisweilen ungeahnten Folgen. Zum Beispiel mit einem Abonnement in Höhe von 59,90 Euro für drei Monate.

Das windige Geschäftsmodell, Nutzer des weltweiten Netzes beiläufig zum Abschluss von teuren Abonnements zu verleiten, hat allen Warnungen zum Trotz von Verbraucherschützern weiter Konjunktur, zumal auch Programme und Spiele, die sich Verbraucher in Form sogenannter Apps auf ihr internetfähiges Handy laden, anfällig für Missbrauch sind. Den Anbietern kommt zupass, dass Strafverfolger und Gerichte noch längst keine einheitliche Linie gefunden haben.

Das Bundesjustizministerium arbeitet derzeit an einem Gesetz, das solche Praktiken verhindern soll. Ob es alle Schlupflöcher stopfen wird, bleibt abzuwarten. Schließlich ist das Medium Internet bekanntlich sehr schnell darin, neue zu finden. Mehr als die Suche nach wirksamen Paragraphen in Berlin hat in diesen Tagen das Frankfurter Oberlandesgericht Hoffnung gemacht. Mit bisher nicht gekannter Deutlichkeit haben die Richter festgestellt, dass Geschäftspraktiken, die auf die Unbekümmertheit der Nutzer setzen, nicht nur ethisch verwerflich sind, sondern auch strafrechtlich als Betrug gesehen werden können.

Sie haben daher eine Strafkammer des Landgerichts verpflichtet, die Anklage wegen Betrugs gegen die Verantwortlichen eines Internetportals zuzulassen, das neben einem Routenplaner auch Archive für Gedichte, Grafiken, Rezepte, Tattoos und Rätsel und einen Gehaltsrechner im Angebot hatte und auf die beschriebene Weise zum Abschluss von Verträgen verleitete.

Allein bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft sind in den vergangenen Jahren gegen solche dubiosen Dienste mehr als Tausend Anzeigen aufgelaufen. Man erhofft sich in dem nun anstehenden Prozess zumindest eine Klärung, wo die Grenze zwischen legaler Ausnutzung von Unaufmerksamkeit der Nutzer und krimineller Abzocke verläuft.

Dabei geht es oft nur um wenige Zentimeter. Im Fall, der dem Oberlandesgericht vorlag, waren die Informationen, nach denen man nicht nur an dem Gewinnspiel teilnehme, sondern einen Vertrag für die Nutzung des Routenplaners über drei Monate abschließe, erst zu erkennen, wenn man weiter nach unten, über den Rand eines handelsüblichen 19-Zoll-Monitors hinaus, „scrollte“, wie die Richter herausgefunden haben.

Dort war ein mit einem Sternchen versehener Text zu finden, der zur Eingabe persönlicher Daten aufforderte, noch einmal auf die Chance verwies, ein Navigationsgerät gewinnen zu können, und dann eher beiläufig das Abonnement für den Routenplaner erwähnte. Das tauchte noch einmal tief in den mehrseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf.

Letztlich geht es vor Gericht, sei es im Strafverfahren wegen eines möglichen Betrugs oder im Zivilprozess wegen der Verpflichtung, für das vermaledeite Abo zu zahlen, immer um die Frage, ob ein durchschnittlich informierter und aufmerksamer Internetnutzer hätte erkennen müssen, dass ihm eine entgeltliche Leistung angeboten wird. Laut OLG muss man in der Regel nicht damit rechnen, dass ein Routenplaner, das Herunterladen von Gratis-Software, Präsentieren von Sonderangeboten, Zitieren von Gedichten oder ähnliches, das üblicherweise im Netz unentgeltlich zu haben ist, kostenpflichtig wird. Wenn doch, dann bedürfe es eines deutlichen Hinweises schon auf der ersten Bildschirmseite.

Es bleibt abzuwarten, wie sehr sich diese strenge Auffassung in der Rechtsprechung durchsetzen wird. Noch gibt es sehr stark voneinander abweichende Urteile. So entschieden zwei Frankfurter Amtsrichter über das Online-Angebot desselben Schnäppchen-Jägers fast diametral. Während der eine den Hinweis, dass die Dienstleistung kostenpflichtig sei, als ausreichend deutlich plaziert empfand, bewertete der andere die Gestaltung der Homepage als irreführend. Dem Nutzer werde nicht klar, dass er sich zu einem Abonnement des Dienstes zum Preis von 96 Euro jährlich verpflichte.

Die Erfahrung zeigt aber, dass, wer sich wehrt und einige Hinweise (siehe Kasten) beachtet, nur in Ausnahmefällen befürchten muss, zur Zahlung eines aufgedrängten Abos verurteilt zu werden. Diese Dienste scheuten ganz überwiegend den Gang zum Gericht, weiß der Frankfurter Verbraucheranwalt Peter Lassek. Sie fürchteten, zu verlieren und dann in Chats als Abzocker gebrandmarkt zu werden. Ihnen reicht, dass viele Verbraucher zahlen, wenn sie unter Androhung von Anwalt und Schufa werden.

Soll man eine Maske mit Angaben zur Person und zur Bankverbindung ausfüllen, ist besondere Vorsicht geboten. Oft trügt der Schein, es gehe nur darum, sich als Teilnehmer an einem Gewinnspiel zu identifizieren. Prinzipiell gilt: möglichst viel durchlesen, bevor man den Knopf „einverstanden“ oder das Häkchen „akzeptiert“ anklickt.

Wer nachträglich merkt, dass er im Internet unwissentlich ein Abonnement abgeschlossen haben könnte, dem steht für diesen „Fernabsatzvertrag“ 14 Tage lang ein Widerrufsrecht zu. Sicherheitshalber sollte man es nicht nur per Mail, sondern auch per Brief oder Fax erklären; die Verbraucherzentralen haben Vordrucke.

Auf Zahlungsaufforderungen und Mahnungen muss man nicht unbedingt reagieren, selbst wenn Inkasso- oder gar Anwaltsbüros eingeschaltet sind. Ratsamer ist jedoch, klarzustellen, man habe nie einen Vertrag abgeschlossen. Kommt ein Mahnbescheid vom Gericht, muss man widersprechen, sonst muss man zahlen. (hs.)

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