Wie können virtuelle Millionen einfach verschwinden? Oder wie kann es möglich sein, dass einem StartUp innerhalb kürzester Zeit ein Projekt so aus den Händen gleitet, dass 100 Millionen Dollar definitiv verschwunden sind, niemand weiß, wo sie sind?
Solche Geschichten schreibt nur das Internet. Beispiel: Die Envion AG mit Sitz in der Schweiz und ihr Traum vom umweltfreundlichen Kryptomining. Geschäftsführer Woestmann hatte in einer vollmundigen Videobotschaften die Werbetrommel gerührt und erreicht, dass im Rahmen eines so genannte ICO (der Gründung einer auf Kryptowährung basierenden Aktiengesellschaft) Investoren insgesamt 100 Millionen Dollar in so genannte Tokens steckten. Damit wurden Bitcoins produziert mit denen der Geschäftsmann in umweltfreundliche Technik investieren wollte.
Hintergrund: Die Erschaffung und Verwaltung von Kryprowährungen hat einen enormen Energiebedarf. Hier wollte die Envion AG gegensteuern und mobile Serverstationen mit Sonnenenergie versorgen.
Das Thema passt in die Zeit: der Energiehunger virtueller Branchen ist immens und lässt sich dieses Problem nicht nachhaltig lösen, dann sind z.B. Bitcoins kein zukunftsfähiges System. Schon heute braucht es den Energiebedarf eines Landes wie Argentinien um allein den Bitcoin am Leben zu erhalten.
Alles gut – eigentlich: Aber dann produziere die so genannte Blockchain der Envian AG nicht Tokens im Wert von 100 Millionen Dollar, sondern deutlich mehr. Der Wertzuwachs hätte schon den Anlegern zugeschlagen werden sollen, landete aber dann über unverfolgbare Kanäle bei dubiosen Dritten über die Wöstmann nur mutmaßen kann. Den vermeintlich Verantwortlichen – seinen Geschäftspartner – verklagt der ehemalige Journalist derzeit. Der sieht die Schuld bei Woestmann.
Aber was ist mit den Anlegern? Die kauften Envion-Tokens für einen Dollar, heute liegt der Wiederverkaufspreis bei 30 Cent. Die nun anstehenden Verfahren zur Konsolidierung der AG sind extrem kompliziert, Aufsichtsfragen sind ungeklärt.
Rechtsanwalt Buerger, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht: „Betroffene Anleger sollten Schuldige für die Misere ermitteln und diese in die Schadensersatzpflicht nehmen. Eine wichtige Fraga ist z.B., ob Kryptomining mit all den Unwägbarkeiten für so ein kleines und unerfahrenes Startup überhaupt ein realistisches und Erfolg versprechendes Investment hätte sein können!“
Für den Hagener Finanzmarktexperten und sein Team sind Investitionen in Kryptowährungen oder Teilnahmen an ICOs aber reguläre Anlagegeschäfte, die juristisch nicht anders zu bewerten sind, als klassische Kapitalvernichtungen wie z.B. bei der aktuellen P&R-Pleite. Buerger: „Anleger sollten vor der Komplexität des Themas nicht zurückschrecken und konsequent Ansprüche geltend machen!“