Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg sorgt im VW-Abgasskandal für klare Verhältnisse. Mit Urteil vom 15. Juli 2019 entschied es, dass der Käufer eines vom Dieselskandal betroffenen VW Tiguan Anspruch auf die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs habe (Az.: 4 U 97/17). Dass VW inzwischen nur noch das Nachfolgemodell des betroffenen Tiguan baut, spiele keine Rolle. Die Änderungen nach dem Modellwechsel seien nicht so gravierend, dass sie einer Nachlieferung im Wege stünden, so das OLG.
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In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die Klage noch abgewiesen. Die Nachlieferung sei nicht möglich, da der VW Tiguan II zu stark von seinem Vorgänger abweiche. Das OLG Hamburg sah dies allerdings anders, kippte das Urteil und setzte einen Hinweisbeschluss des BGH konsequent um.
Der BGH hatte bereits im Januar klargestellt, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung einen Sachmangel darstelle und der geschädigte Kunde Anspruch auf Ersatz habe. Dieser Anspruch könne auch in der Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs bestehen, selbst wenn das entsprechende Modell inzwischen gar nicht mehr gebaut werde.
Dieser Argumentation ist das OLG Hamburg gefolgt. Die Unterschiede zwischen dem VW Tiguan I und dem Nachfolgemodell Tiguan II seien nicht so gravierend, dass von einer neuer Gattung ausgegangen werden müsse. Die Nachlieferung eines Modells aus der aktuellen Produktion sei daher durchaus möglich. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger das Software-Update bei seinem Tiguan hatte aufspielen lassen. Diese Maßnahme sei erfolgt, weil der Kläger nicht riskieren wollte, dass seinem Fahrzeug die Zulassung entzogen werde. Zudem sei durch die Abgasmanipulationen das Vertrauen des Klägers in den Hersteller erschüttert worden. Durch das Update konnte weder das Vertrauensverhältnis wiederhergestellt noch der Mangel beseitigt werden, so das OLG. Die Revision hat das Gericht nicht zugelassen, das Urteil ist damit rechtskräftig.
Auch die Oberlandesgerichte Köln, Koblenz und Karlsruhe haben geschädigten Autokäufern inzwischen Schadensersatz zugesprochen, weil sie von VW durch die Abgasmanipulationen vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurden. Anders als vor dem OLG Hamburg ging es hier nicht um Ansprüche gegen den Händler auf Nachlieferung, sondern um die Rückabwicklung des Kaufvertrags.
„Die Rechtsprechung im Abgasskandal hat sich eindeutig zu Gunsten der geschädigten Autokäufer entwickelt Nach zahlreichen Landgerichten sprechen inzwischen auch Oberlandesgerichte den geschädigten Verbrauchern Schadensersatz zu. Diese Urteile haben natürlich auch eine Signalwirkung auf weitere Verfahren, so dass die Chancen, Schadensersatzansprüche gegen VW durchzusetzen, hervorragend sind“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser, der bereits zahlreiche Mandanten im Dieselskandal vertritt. Ansprüche gegen VW können in der Regel noch bis Ende 2019 geltend gemacht werden.