Auf deutschen Straßen sind Autos mit den unterschiedlichsten Versprechen unterwegs – von „Clean Technologie“ bis „Blue Motion“. Alle haben sie eins gemein: Die in den Prospekten gemachten Aussagen zum Kraftstoffverbrauch passen nicht – mal mehr mal weniger. Während einige Modelle mit viel Liebe zum Auto noch mit akzeptablen Werten unterwegs sind, wirkt es bei anderen Autos wie ein böser Scherz, wenn Verbrauchswerte in der Realität bis zu 40 % überschritten werden. Da falsche Verbrauchsangaben System zu haben scheinen, gibt es auch schon einen landläufig bekannten Überbegriff für die Differenz zwischen Werbeaussagen und tatsächlichem Kraftstoffverbrauch: Die Spritlüge.
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Die Autoindustrie – und nicht nur die deutsche – muss Verbrauchswerte angeben und diese auch im Rahmen gültiger europäischer Normen ermitteln. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, Verbrauchswerte zu ermitteln, die mit der Realität wenig zu tun haben.
Verbraucher zahlen zu viel
Folge: Der Verbraucher zahlt deutlich mehr für jeden gefahrenen Kilometer und schädigt die Umwelt über Gebühr. Wir meinen: Das ist Betrug! Hinzukommt, dass ehrliche Verbrauchsangaben auch dazu führen würden, dass Autos wirklich sparsamer würden. Es ist einfacher, den Treibstoffverbrauch niedrig zu rechnen, als ihn durch echte Innovationen wirklich zu verringern.
Manipulierte Verbrauchswerte-Prüfungen
Umweltschutz bedeutet heute, dass Autos gute Werte nur auf dem Papier erreichen und Jahr für Jahr sparsamer und klimafreundlicher werden – außerdem aber auch schwerer, ps-stärker und größer. Niemand wundert sich, wie das geht, dabei liegt die Lösung auf der Hand: Die zur Messung verwendeten Autos werden „entkernt“, Kilometer werden auf besonders verbrauchsfreundlichen Untergründen absolviert und technische Details wie die Lichtmaschine werden deaktiviert. Heraus kommen Verbrauchsprotokolle, die auch für die Emissionswerte Top-Ergebnisse auswerfen – die allerdings in der Realität kaum zu erreichen sind.
Und Steuerbetrug…
Nebeneffekt der Schummelei: weniger Treibstoff bedeutet auch weniger Co2. Wir gehen davon aus, dass gesetzlich geforderte Grenzwerte mit dem realistischen Spritverbrauch nicht einzuhalten sind. Am CO2-Ausstoß orientiren sich aber die Bemessungsgrundlagen für die kfz-Steuer.
Was wäre die Lösung? Behörden müssten Nachmessungen anordnen und es sollte von Anfang an klar sein, dass ein vorliegender Betrug empfundliche Strafen mit sich bringen muss. Wenn sich die Industrie nicht an die Regeln hält muss es schmerzhaft teuer werden – nur so kann es gehen. In Kooperation mit den Rechtsanwälten der IG Dieselskandal werden wir das weit über den Abgasskandal hinausgehende Thema aktiv angehen und unseren Mitgliedern Strategien für Schadenersatzforderungen gegenüber den Herstellern vorstellen.
Die Folgen der Spritlüge: Nur Peanuts?
Ein PKW hat einen angegebenen verbrauchswert von 7 Litern auf 100 Kilometern im Mix aus Stadt/Land/Autobahn. Bei einem angenommenen Benzinpreis von 1,50 Euro sind das 10.500 Euro, die auf 100.000 Kilometern ausgegeben werden müssen, Braucht das Auto aber 1,5 Liter mehr, dann kommen wir auf 12.750 Euro. Die Differenz macht bei einer durchschnittlich zu erwartenden Lebensdauer eines Autos (300.000 km) 6.750 Euro aus.
Noch etwas zur Technik:
Wie viel verbraucht ein Fahrzeug und welche Abgase entstehen in welcher Menge? Diese Frage kann heute mit dem vereinheitlichten Fahrzyklus WLTP exakter bestimmt werden, als es in der Vergangenheit möglich war. Das neue Verfahren zur Messung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission orientiert sich näher am alltäglichen Fahrverhalten und ersetzt seit September 2017 den veralteten NEFZ-Standard. Euro 6-Autos müssen nach diesem Standard getestet werden, bevor sie eine Zulassungsgenehmigung erhalten.
WLTP – Das bedeutet so viel wie „weltweit harmonisiertes Testverfahren für leichtgewichtige Nutzfahrzeuge“ und beschreibt ein neues Prüfverfahren, das den Verbrauch eines Fahrzeugs bestimmt. Auf Grundlage weltweit gesammelter Realfahrdaten hilft es, auch unter Laborbedingungen eine realitätsnahe Autofahrt zu simulieren. So berücksichtigt WLTP nicht nur verschiedene Situationen und Geschwindigkeiten im Straßenverkehr, sondern auch die verschiedenen Ausstattungsvarianten und Gewichtsklassen eines Autos.
Nach WLTP gemessenen Abgas- und Verbrauchswerte müssen seit 1. September 2017 für alle neu eingeführten Pkw-Modelle und Motoren angegeben werden. Dieses gilt in Europa und vielen anderen Ländern weltweit.
Juristische Bewertung der Spritlüge
„Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen!“ ist schon eins der 10 Gebote und im Regelwerk moderner Rechtsethik ist die Spritlüge eine sogenannte dissoziale Lüge, die den Zweck verfolgt, sich einen Vorteil zu verschaffen. Man spricht landläufig sogar von einer Intrige, wenn die Schädigung des Gegenübers Grund-Absicht des dann verbrecherischen Verhaltens ist. Wie auch im Dieselskandal dürfte es sich bei der Spritlühe um ein Vergehen nach § 826 handeln und sich als „vorsätzliche sittenwidrige Täuschung“ – u.U. sogar als Betrug – darstellen lassen. Eine solche Handlung würde zivilrechtlichen Anspruch auf Schadenersatz auslösen, wobei es nicht nur um entstanden Schaden aus der Vergangenheit, sondern auch um die Kompensation des zukünftigen Schadens gehen müsste.
Nachweis des Betrugs
Verbrauchswerte können einfach ermittelt oder gutachterlich festgestellt werden. Als Gerichtsfest können eigene Messungen aber nicht herhalten, höchstens als Klagegrund. Da die Gegenseite behaupten wird, der Verdacht würde „ins Blaue hinein“ formuliert, kann im Grundsatz nur ein sogenannter Beweisbeschluss (unabhängiges Gutachten) Klarheit bringen.