Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute über den Widerruf von Autokreditverträgen in zwei Fällen entschieden. Zu den Aktenzeichen XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 ging es um Revisionsverfahren, nachdem Autobesitzer vor dem Oberlandesgericht Köln den Widerruf ihrer Autofinanzierungen gegen die BMW-Bank und die Ford-Bank nicht durchsetzen konnten. Die beiden Kläger bemängelten insgesamt drei Formulierungen in den Widerrufsbelehrungen beider Banken. Konkret ging es in beiden Verfahren darum, ob die 14-tägige Widerrufsfrist mit den Unterschriften unter die Kreditverträge begann oder nicht.
Pressemitteilung des BGH: „Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Widerrufsinformationen ordnungsgemäß sind und auch die erforderlichen Pflichtangaben erteilt worden sind, so dass in beiden Verfahren die zweiwöchige Widerrufsfrist in Lauf gesetzt worden ist und die jeweiligen Kläger ihr Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt haben. Der XI. Zivilsenat hat deshalb die Revisionen der beiden Kläger zurückgewiesen. Mit den Urteilen sind weitere erfolgreiche Verhandlungen zumindest gegen die BMW-Bank und die Ford-Bank aufgrund der verbraucherunfreundlich entschiedenen drei Fallgruppe ausgeschlossen
Bei den beiden nun rechtskräftig entschiedenen Verfahren geht es allerdings nur um Einzelfälle, bzw. um diese beiden Banken. Die Unzulässigkeit der bislang schon in der Kritik stehenden Falsch-Belehrungen z.B. der Volkswagenbank, Audi-Bank oder der Mercedes- Bank tangiert das nicht, zumal es diesbezüglich schon zahlreiche erfolgte Rückabwicklungen gibt.
Verhandelt und für zulässig empfunden wurde diese Passage: „Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.“
Für andere Formulierungen gilt das BGH-Urteil nicht. Auto fahrende Verbraucher finden also weiter zuverlässigere Wege, sich aus teuren Finanzierungen von Audi und VW zu verabschieden, denn der so genannte Widerrufsjoker greift auch bei zu widerrufenden Fahrzeugfinanzierungen. Folge: Betroffene Verträge sind ungültig und der Autobesitzer kann das Auto gegen Erstattung aller bisher gezahlten Raten an die Bank zurückgeben, unabhängig davon, ob es sich um einen Benziner, einen Diesel oder ein Elektro-Auto handelt.
Den Widerrufsjoker erfolgreich ziehen
Juristische Grundlage für den Widerrufsjoker bleibt, dass es sich bei Autofinanzierungen in den meisten Fällen um sogenannte „verbundene Geschäfte“ handelt. Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel zum Thema Widerruf Autofinanzierung: „Wenn die Bank zur Marke gehört, wie z.B. die VW-Bank oder wenn die Bank explizit vom Verkäufer empfohlen wurde und auch regelmäßig für die Marke finanziert, dann ist es in aller Regel ein verbundenes Geschäft und der Finanzierungsvertrag ist unlösbar mit dem Kaufvertrag verbunden!“
Ausgenommen sind zwangsläufig Finanzierungen, die mit der eigenen Hausbank, z.B. der Sparkasse oder der Volksbank abgeschlossen wurden. Ist allerdings eine Sparkasse Hausbank eines Handlers und werden Finanzierungen dieses Händlers regelmäßig über diese empfohlene Sparkasse abgewickelt, dann kann auch hier ein verbundenes Geschäft vorliegen.
Man kann zwar den Darlehensvertrag beenden, ohne den Kaufvertrag anzugreifen, aber wenn es Fehler im Darlehensvertrag gibt, wird dadurch automatisch auch der Kaufvertrag ungültig – für diesen Sachverhalt stehen so genannte „Koppelgeschäfte“.
Normal: Die 14-tägige Widerrufsfrist
Normalerweise gilt für solche Verbraucherkredite eine Widerrufsfrist von 14 Tagen – das heißt innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss kann der Vertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Dagegen kann die Bank keinerlei Rechtsmittel ins Feld führen, allenfalls entstandene Kosten durch die bereits erfolgte Nutzung des Autos einfordern.
Vor Vertragsschluss ist der Darlehensnehmer darüber informiert worden, welche Bedingungen für einen Rücktritt vom Vertrag erfüllt werden müssen. Gibt es in diesen sogenannten Widerrufsbelehrungen aber Fehler, dann gilt die 14-tägige Widerrufsfrist als nicht angelaufen und der Vertrag kann vom Darlehensnehmer jederzeit widerrufen werden, solange die Bank die Belehrungen nicht nachbessert. Aber selbst wenn die Bank erfolgreich nachbessert hat der Verbraucher nochmals 14 Tage Zeit, vom Vertrag zurückzutreten, selbst wenn dieser schon vor Jahren geschlossen wurde. Allerdings: Dieses „ewige Widerrufsrecht“ gilt nur für Verbraucher, nicht für gewerblich getätigte Vertragsschlüsse. Es gibt auch zeitliche Fenster für Vertragsschlüsse, in denen Belehrungsfehler den Widerrufsjoker ausmachen. Zu alt dürfen die Verträge auch nicht sein.
Widerrufsbelehrung prüfen
Oberflächlich kann jeder Verbraucher seinen Vertrag selbst prüfen. Folgende Angaben sind zwingend für eine ordnungsgemäße Belehrung.
• Name und Anschrift des Unternehmers,
• Genaue Bezeichnung des Vertrages
• Es muss einen Hinweis geben, dass ein Widerrufsrecht besteht,
• Erklärung zur Zweiwochenfrist für den Widerruf,
• Erklärung über Inhalt und Form des Widerrufs,
• Hinweis, dass die Frist mit dem Absenden der Widerrufserklärung eingehalten wird.
Dies ist allerdings in aller Regel korrekt. Allerdings haben sich eigentlich alle Autobanken den Luxus erlaubt., die gesetzlichen Vorlagen leicht abzuändern. Dadurch entstanden vielfach für Verbraucher unverständliche Formulierungen, die den Widerrufsjoker ausmachen. Zudem gibt es eigenmächtig formulierte Passagen, die schon von Gerichten behandelt und als unzulässig markiert wurden, Regelmäßig geht es dabei um den Termin des Anlaufs der Widerrufsfrist. Hier sollte sich ein Verbraucher auf rechtlichen Rat verlassen. Stefanie Fandel, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht von Dr. Hartung Rechtsanwälte: „Gern prüfen wir Ihre vertragsunterlagen kostenlos!“
Rechtsschutz finanziert den Widerrrufsjoker
Rechtsanwalt Marcel Seifert von Brüllmann Rechtsanwälte aus Stuttgart: „Sollte es nach Vertragsprüfungen zur Klarheit darüber kommen, dass die Belehrungen unzulässig sind, wäre als nächstes die Rechtsschutzversicherung abzufragen. Ohne Rechtsschutz haben Verbraucher das Klagerisiko selbst zu tragen. „Leider ist ein positiver Verfahrensausgang nicht in allen Fällen garantiert“, so Rechtsanwalt Schepper, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Bielefeld. Aussichtsreich erscheinen aktuell hauptsächlich Klagen gegen die VW-Bank und die Audi-Bank.
Unglücklicherweise urteilen viele Gerichte nicht zu 100 % verbraucherfreundlich und gestehen der Bank einen so genannten Nutzungsersatz pro gefahrenem Kilometer zu. „Aber selbst mit Nutzungsersatz ist so ein Widerruf eine lohnende Sache,“ so Dr. Späth von Dr. Späth Rechtsanwälte aus Berlin.
Rechtsanwalt Sebastian Koch aus Bad Nauheim ist ebenfalls Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und weist auf eine kleine Lücke im Gesetz hin: „So genannte 0-Prozent-Finanzierungen sind in aller Regel nicht widerrufbar, auch wenn es sich um ein Koppelgeschäft handelt.“ Aber auch hier gibt es immer Prüfungsbedarf, so der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Abschließend einige Erklärungen zur Nutzungsentschädigung: Basis für die Berechnung sind die bereits gefahrenen Kilometer in Bezug zur zu erwartenden maximalen Laufleistung des Fahrzeugs, wobei es unterschiedliche Berechnungen für die drei Fahrzeugklassen Kleinwagen (200.000 km), Mittelklasse (250.000 km) und Oberklasse (300.000 km) gibt.
Berechnung des Nutzungsersatzes
Das Ergebnis ist eine Summe in Euro. Hat ein einfaches Fahrzeug also 20.000 Euro gekostet und wurden 30.000 Kilometer damit gefahren, ergibt sich folgende Rechnung: 20.000 (Kaufpreis) x 30.000 (Laufleistung) : 200.000 (zu erwartende maximale Laufleistung = 3000 Euro Nutzungsentschädigung für die Bank. Diese kann von der auszuzahlenden Summe also 3000 Euro abziehen. In vielen Fällen kommt der Verbraucher aber trotzdem auf seinen kompletten Kaufpreis, weil entgangene Zinsen von der Bank erstattet werden müssen.
Die Kooperationsanwälte der IG Dieselskandal stehen für weitere Informationen gern zur Verfügung.
Nach den Urteilen vom 5. November 2019 muss aber klar sein, dass Widerrufsverfahren gehen die BMW-Bank nicht zu gewinnen sind.