Im Abgasskandal lässt sich der Schaden der Käufer durch die Installation eines Software-Updates nicht beseitigen. Das hat der BGH mit Urteil vom 30. Juli 2020 noch einmal klargestellt (Az.: VI ZR 367/19).
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Zudem verdeutlichte der Bundesgerichtshof, dass VW die Verantwortung für die Abgasmanipulationen nicht auf Mitarbeiter abwälzen kann und der Vorstand von den Manipulationen nichts gewusst haben will. Die Karlsruher Richter stellten klar, dass die Entscheidung über den Einsatz einer Abschalteinrichtung von grundlegender strategischer Bedeutung für den VW-Konzern war. Vor diesem Hintergrund genüge die Behauptung des Klägers, die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden. Eine konkret verantwortliche Person muss er nicht benennen, so der BGH.
Damit hat der BGH ein Urteil des OLG Braunschweig aufgehoben und seine Entscheidung vom 25. Mai 2020, dass VW im Abgasskandal grundsätzlich schadensersatzpflichtig ist, unterstrichen (Az.: VI ZR 252/19).
Die Entscheidung des BGH hat verschiedene Auswirkungen. Nach diesem Grundsatzurteil hatte VW bereits erklärt, bei noch rund 50.000 anhängigen Klagen den Klägern eine Einmalzahlung anzubieten. „Kommt so ein Angebot, sollten Verbraucher genau hinschauen, ob es auch angemessen ist und sich nicht mit einer zu geringen Zahlung abspeisen lassen“ sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Zudem bedeutet das Urteil, dass vom Abgasskandal geschädigte VW-Kunden, auch wenn sie das Software-Update haben aufspielen lassen, noch Schadensersatzansprüche geltend machen können. Die Frage der Verjährung ist vom BGH noch nicht geklärt. „Nach § 852 BGB muss ein finanzieller Vorteil, der aufgrund einer unerlaubten Handlung erlangt wurde, dem Geschädigten wieder erstattet werden. Dieser Anspruch verjährt erst in zehn Jahren. Im Abgasskandal heißt das, dass dieser Anspruch frühestens zehn Jahre nach Kauf des Fahrzeugs verjährt. Ansprüche gegen VW können also weiter geltend gemacht werden“, so Rechtsanwalt Gisevius.
Der BGH hat zudem noch einmal klargestellt, dass der Schaden durch ein Software-Update nicht beseitigt wird. Denn der Schaden liege in einem sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss. Dies lasse sich nachträglich nicht mehr ändern, so der BGH.
„Software-Updates zur Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen wurden nicht nur bei Fahrzeugen des VW-Konzerns mit dem Dieselmotor EA 189 durchgeführt, sondern auch bei den Fahrzeugen mit den größeren 3 Liter-Dieselmotoren. Auch andere Hersteller wie Daimler mussten schon zahlreiche Fahrzeuge wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückrufen. Nach dem BGH-Urteil ist klar, dass der Schaden der Verbraucher auch in diesen Fällen nicht durch ein Update beseitigt wurde“, erklärt Rechtsanwalt Gisevius.
Schadensersatzansprüche gegen VW können aber nicht unbegrenzt durchgesetzt werden. Das hat der BGH mit drei weiteren Urteilen vom 30. Juli entschieden. Er stellte klar, dass die Nutzungsentschädigung den Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren kann, wenn das Auto schon eine sehr hohe Laufleistung hat (Az. VI ZR 354/19). Zudem entschieden die Karlsruher Richter, dass die geschädigten Käufer keinen Anspruch auf Deliktzinsen haben (Az.: VI ZR 397/19). Wer sein Auto erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals am 22. September 2015 gekauft hat, habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Der Konzern hätte mit dem Thema nach Ansicht des BGH zwar offensiver umgehen und umfassender informieren können. Sittenwidrigkeit könne VW zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr vorgeworfen werden (Az.: VI ZR 5/20).