BGH: Aufruf zur Kontoklatsche ausnahmsweise zulässig

Heute redet kaum noch jemand über die „Mehrwertdienste“ von Anbietern wie der WEBTAINS GmbH. Die Zeiten der Abofallen endeten mit dem „Button-Gesetz“. Allerdings gibt es immer noch Gerichte, die die das Thema noch nicht „erledigt“ ist. Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat jetzt entschieden, dass der Aufruf einer Verbraucherzentrale an ein Bankinstitut zur Kündigung eines Girokontos eines Unternehmens ausnahmsweise zulässig ist.

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Die Beklagte ist die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Sie hat die Sparkasse Heidelberg in einem Schreiben zur Kündigung und Sperrung des Girokontos der Klägerin aufgefordert. Die Klägerin ist ein Inkassounternehmen, das unter anderem für die W. GmbH tätig ist.
Im Februar 2011 bot die W. GmbH auf ihrer Internetseite einen „Routenplaner-Service“ an.

Dabei wurde der Nutzer nach Ansicht der Beklagten über die Kostenpflichtigkeit des Angebots getäuscht. Nachdem ein Verbraucher aufgrund eines Aufrufs des Angebots der W. GmbH von dieser eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 96 Euro für einen Routenplaner-Service erhalten hatte, focht die Beklagte im Namen des Verbrauchers den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Gleichwohl erhielt der Verbraucher von der nunmehr mit der Einziehung der Forderung beauftragten Klägerin wiederholt Mahnungen, obwohl die Beklagte auch gegenüber der Klägerin Einwendungen gegen die Forderung erhoben hatte.

Die Beklagte wandte sich daraufhin mit einem Schreiben an die Sparkasse Heidelberg, in dem sie unter Hinweis auf ein offenkundig wettbewerbswidriges und betrügerisches Verhalten des Betreibers der Internetseite die Sparkasse zur Kündigung des Girokontos aufrief.
Gegen die Aufforderung zur Kündigung und Sperrung des Girokontos hat die Klägerin Unterlassungsklage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die beklagte Verbraucherzentrale antragsgemäß verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Er hat angenommen, dass die Beklagte mit dem Aufruf zur Kündigung des Girokontos in den durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingegriffen hat. Dieser Eingriff war jedoch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls nicht rechtswidrig. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung war zu berücksichtigen, dass die beklagte Verbraucherzentrale sich auf die in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit berufen konnte.

Der Aufruf zur Kündigung des Girokontos war auch nicht unverhältnismäßig. Zwar hätte die Beklagte grundsätzlich den Rechtsweg beschreiten müssen, um ein etwaig rechtswidriges Verhalten der Klägerin zu unterbinden. Im vorliegenden Fall brauchte die Beklagte aber nicht zunächst Klage zu erheben. Sie konnte vielmehr unmittelbar die Sparkasse zur Kündigung des Girokontos des Inkassounternehmens auffordern, weil dieses sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bewusst an der Durchsetzung eines auf systematische Täuschung von Verbrauchern angelegten Geschäftsmodells der W. GmbH beteiligt hatte.

Urteil vom 6. Februar 2014 – I ZR 75/13 – Aufruf zur Kontokündigung

Quelle: Presseveröffentlichung des BGH vom 6. Februar 2014

1 comments
  1. … letztendlich hat sich MB doch zum Kasper gemacht, als er noch in seinem Blog verkündete (Zitat):

    Michael Burat sagt:
    29. Juli 2011 um 10:09
    Sehr geehrter Herr Wecker,
    Nicht das “Gute” oder das “Böse” sollten sich im Rechtsstaat durchsetzen,
    sondern ausschließlich Recht und Gesetz. Aber das kapieren so durchgeknallte
    Netzindianer wie Sie nicht.
    Darüber hinaus hat der Rechtsstreit am Landgericht München mit dem hiesigen
    am Landgericht Heidelberg nichts gemein. Am Landgericht München ging es um
    die Frage eines Kontrahierungszwangs nach einer ordentlichen Kündigung
    während es in Heidelberg nur um die Berechtigung einer außerordentlichen
    Kündigung geht.
    Trennschärfe ist aber auch eine Eigenschaft, welche der vorgenannten Spezies
    bei der Schöpfung nicht mit auf den Weg gegeben wurde. Diese wurde vom
    Allvater vielmehr mit der “Eintopf-Theorie” ausgestattet. Und bevor Sie grübeln,
    letztere hat nichts mit Essen zu tun.
    Michael Burat, 29. Juli 2011

    Die „durchgeknallten Netzindianer“ hatten schon Recht und das BGH hat es bestätigt.

    Schöne Grüße

    Robert Koch

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