Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) hält nicht, was der Name verspricht und bringt Verbrauchern im Alltag mehr Frustration statt Aufklärung. Dies ist das ernüchternde Fazit eines bundesweiten Behördentests der Verbraucherzentralen und des Verbraucherzentrale Bundesverband. In einem Zehn-Punkte-Programm fordert die Verbraucherverbände die behördlichen Zuständigkeiten klarer zu regeln und für mehr Bürgernähe zu sorgen.
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Die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband haben in den zurückliegenden Monaten über 100 Anfragen an Landesbehörden und Kommunen ausgewertet. Dabei ging es vorrangig um Beanstandungen von Schinkenimitaten und Lachsprodukten, Pestizidbelastungen von Obst und Gemüse, Hygienemängel in Schulküchen und Imbissbuden und Sicherheitsmängel bei Spielzeug. In der Mehrzahl informierten die Behörden weder konkret noch alltagstauglich. Zudem schreckten hohe Gebühren ab.
Verbraucheranfragen zweiter Klasse
Rund zwei Drittel der Anfragen waren Verbraucheranfragen, ein Drittel Anfragen der Verbraucherzentralen. Das für Verbraucher enttäuschende Ergebnis: Sie wurden wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Denn während die Ämter die Anfragen der Verbraucherzentralen ernsthaft und sorgfältiger bearbeiteten, speisten sie die Verbraucher meist mit pauschalen Antworten ab.
Viele Verbraucher erhielten nur allgemeine und wenig brauchbare Hinweise. Zudem nannten die Behörden in der Regel weder Ross noch Reiter; alltagstaugliche Informationen über unsichere Produkte und auffällige Verkaufsstellen gab es nur in Einzelfällen. Konkrete Auskünfte erteilten die Behörden paradoxerweise nur dann, wenn keine Beanstandungen zu vermelden waren. Beispielhaft einige Auszüge von Antworten auf Anfragen zur Spielzeugsicherheit:
Hohe Kosten und lange Verfahrensdauer
Abschreckend auf die Verbraucher wirken auch die hohen Kosten. In 17 von 65 ihrer Anfragen wurden sie durch hohe Gebührenankündigungen davon abgehalten, ihre Anfrage weiter zu verfolgen. So verstiegen sich Ämter zu Forderungen von bis zu 500 Euro für eine simple Anfrage beispielsweise zu Kontrollergebnissen von Kinderspielzeug. Mit solchen Kostendrohungen wird nach Überzeugung der Verbraucherzentralen jedes Interesse der Bürger an Information im Keim erstickt.
Außerdem erschwert die komplizierte Anwendung und Auslegung des Gesetzes eine schnelle und unbürokratische Aufklärung der Verbraucher. So leiteten die Behörden bei den Anfragen der Verbraucherzentralen regelmäßig das umständliche und mit drei bis vier Monaten langwierige Verwaltungsverfahren des Gesetzes ein. Falls betroffene Unternehmen Widerspruch gegen die Veröffentlichung oder Klage vor den Verwaltungsgerichten einreichen, kann sich diese Frist noch weiter verlängern, der Informationszugang verweigert werden oder auf unabsehbare Zeit verschieben. Beispielhafte Fälle zu Anfragen über Schin-kenimitate und Lachs:
* Wegen Urlaubszeit wurde die Rückmeldung auf eine Anfrage vom 30.06.2008 für „Mitte bis Ende September 2008“ in Aussicht ge-stellt; im Oktober teilt die Behörde mit, dass ein Verstoß festgestellt und ein bußgeldrechtliches Verfahren durchgeführt wurde; wegen „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der be-troffenen Anbieter“ wurden konkrete Informationen verweigert.
* In Niedersachsen wurde eine Anfrage vom 21.05.2008 bis heute nicht beantwortet. Die Behörde hat lediglich mit einer schriftlichen und zwei telefonischen vertröstenden Zwischennachrichten reagiert.
Strukturelle Mängel erfordern Nachbesserungen
Der Praxis-Test hat gezeigt: Das VIG wird dem Anspruch auf mehr Bürgerfreundlichkeit und Transparenz nicht gerecht. Die Zuständigkeiten der Behörden sind unklar und die Anwendung wenig verbraucherfreundlich. In seiner derzeitigen Fassung ist das Gesetz ineffektiv und bürokratisch. Es ist nicht klar geregelt, was überhaupt ein Verstoß ist; Kosten und Verfahrensdauer sind undurchsichtig; Behörden scheuen sich nach wie vor, Namen zu nennen.
Die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband setzen sich für ein umfassendes und gut funktionierendes VIG ein. In einem Zehn-Punkte-Programm fordern sie den Gesetzgeber auf, unmissverständlich zu regeln, über jede Beanstandung wegen Missachtung von Lebensmittelrecht unverzüglich und kostenlos aufzuklären. Zudem muss bei festgestellten Gesetzesverstößen auf langwierige Anhörungen der betroffenen Unternehmen verzichtet und spätestens nach einem Monat informiert werden.
Die detaillierten Ergebnisse der Untersuchung sowie das Zehn-Punkte-Programm (24 Seiten) können Sie herunterladen.