Perfide Abzocke von Kindern und Jugendlichen bei zahlreichen „Gratis-Online-Spielen“ prangert die Verbraucherzentrale NRW an. Zuweilen sogar mit Promi-Unterstützung nutzen die Betreiber den kindlichen Spieltrieb aus. Auf oftmals heimlichen Wegen produzieren Kids so Rechnungen von bis zu 2000 Euro – per Handy oder Kreditkarte der Eltern. Da geht es z.B. auch oft um die Spieler des Online-Angebotes „Metin 2“
Im Internet wollte Kevin Klein (Name geändert) nur eines: „ein Meister der Kampfkunst werden und das Land vor dem dunklen Einfluss der Metinsteine schützen“. Dafür brauchte der 14-Jährige aus Dormagen nahe Düsseldorf wichtige Utensilien wie etwa einen „Tapferkeitsumhang“ und eine „dritte Hand“, beides zu kaufen mit so genannten „Drachenmünzen“.
Die Münzen beschaffte sich der Schüler allerdings nicht im „kostenlosen“ Fantasy-Spiel Metin2, sondern im wirklichen Leben: per SMS und Anruf über eine 0900-Nummer. 50 Drachenmünzen gibt‘s über diese Wege beispielsweise für 4,99 Euro. 154,75 Euro will der Betreiber von Metin2 nun von Kevin Kleins Eltern kassieren.
Viele Browsergames im Internet beginnen „vollkommen kostenlos“. Um jedoch im Spiel schneller voran zu kommen oder für den besonderen Kick, braucht es eine Sonderausstattung, eine Premiumversion – und die ist gegen reales Geld erhältlich.
Millionen Mitspieler, überwiegend Kinder und Jugendliche, werden permanent zum Erwerb von magischen Hufeisen oder von leistungsförderndem Futter für Tiere animiert. Das Bezahlen ist kinderleicht: Meist reicht ein Anruf oder eine SMS. Ganz Gewiefte missbrauchen die Kreditkarte der Eltern und zahlen per Internet.
„Dutzende gravierende Fälle“ registriert Karin Thomas-Martin von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Dunkelziffer ist für die Expertin „sehr hoch“, denn „nur krasse Fälle werden bekannt“. Thomas-Martin etwa kennt einen 12-Jährigen, der die elterliche Telefonrechnung auf satte 2500 Euro katapultierte.
Das Geld landet beispielsweise bei der Firma Bigpoint, die mit diversen Browsergames auf ihre Seite lockt. Mehr als 85 Millionen Nutzer daddeln nach Firmenangabe Renner wie „Dark Orbit“ (Weltraum) und „Seafight“ (Piraten). Und das Geschäft mit den Ungeduldigen brummt. In diesem Jahr will Bigpoint den Umsatz im dreistelligen Millionenbereich sehen. Zynisch wirkt es da, wenn Anrufer an der 1,99-Euro/Minute-Hotline mit dem Satz empfangen werden: „Du hast den richtigen Riecher für gute Geschäfte.“
Abgesehen hat es die Branche auch auf Mädchen. Diverse Rollenspiele „mit Kuschelfaktor“ locken sie an die Monitore. Da ist etwa „Wauies“, ein Spiel mit Hundewelpen, die man laut Werbung „fast wie echte Hunde großziehen und natürlich auch streicheln“ kann.
Stark an den Hype mit japanischen Tamagochis erinnert die Pflege von „persönlichen Haustieren“ wie Hasen und Katzen im Comiclook. Wer sich nicht ständig um seinen Schützling kümmert – und folglich im Internet präsent ist -, dem droht der süße Liebling gar zu sterben.
Bisweilen trommeln selbst Prominente für die fragwürdigen Games. Das Aushängeschild für das Gratis-Spiel „Howrse“ beispielsweise gibt Ludger Beerbaum. Geradezu überschwänglich lobt der vierfache Olympiasieger und „erfolgreichste deutsche Springreiter“ das „denkbar einfache“ Spiel, das „problemlos auch für jüngere Spieler“ zu nutzen sei. „Hervorzuheben“ sei obendrein, „dass die Registrierung und viele Feature kostenlos“ seien.
Auch dank Beerbaums Werbe-Parforceritt versucht sich mittlerweile eine „Community von 1.110.000 Spielern“ hierzulande als virtuelle Pferdezüchter. Wenn das Pixel-Pony in Gefahr gerät, spielen sich wahre Dramen ab. Sie habe kein Spielgeld mehr, sie habe bereits ihren gesamten Besitz verkauft, dennoch könne ihre Stute nicht abfohlen, beklagt Mitspielerin „Mandy“ in einem Internetforum ihre Not. Andere bejammern dort den Tod ihres Lieblings.
Wer sein Pferd wiederbeleben will oder wen ein prächtiger Sattel lockt, der braucht dafür so genannte Pferdepässe. Einzelne Pässe kosten zwischen 1,20 und zwei Euro. Dabei übersehen viele gern den kleinen Hinweis: „Kaufe keine Pässe ohne Erlaubnis Deiner Eltern“. Schon drei braucht es, um die Trächtigkeit einer Stute zu beschleunigen. Posten, die später auf diversen Rechnungen auftauchen.
Damit nicht genug. Einmal im Rausch werden die Spieler vom Veranstalter auch zum Rekrutieren neuer Spieler ausgeschickt. „Ich brauche jetzt um weiter zu kommen einen Paten, sprich ich muss jemanden werben“, flehen „Wörni“ und andere „Howrse“-Leidensgenossen in einschlägigen Internetforen.
Der Druck der Gratis-Spiele treibt so manche Player zu unredlichem Tun. Da wird etwa kurz Opas Handy ausgeliehen, fix eine Spielhilfe bestellt und anschließend die SMS wieder gelöscht. Tausende Eltern und Großeltern hätten bereits kleinere Beträge auf der Telefonrechnung beglichen, „ohne die Spielzüge der Kids zu durchschauen“, vermutet Iwona Gromek von der Verbraucherzentrale NRW.
Solche Machenschaften im Verborgenen passen zu den Web-Spielen. Der jungen Spielschar mag es gefallen, dass das bei der Registrierung eingetragene Alter meist mit wenigen Klicks zu ändern ist. So können sich selbst Grundschüler bequem Zugang zum dunklen Treiben in den Internet-Dungeons der Älteren verschaffen.
Kinder, die sich vor Spielbeginn registrieren, müssen lediglich per Häkchen bestätigen, dass sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen „zur Kenntnis genommen“ haben. In dem bis zu 17 DIN-4-Seiten langen Kleingedruckten stecken – tief verborgen – zumeist wenig aussagekräftige Hinweise über mögliche Kosten. Wer´s liest, erfährt, dass Eltern in die finanzielle Verantwortung für die Bestellungen ihrer Kinder genommen werden.
Kein Wunder daher, dass so mancher Online-Kampf der Sprösslinge derzeit seine Fortsetzung in der realen Welt findet: wenn Erziehungsberechtigte sich gegen die deftigen Euro-Forderungen der Spielbetreiber gerichtlich zur Wehr setzen. Ein Kampf mit ungewissem Ausgang. Denn Amtsgerichte, so Iwona Gromek, „urteilen bislang uneinheitlich“.
Dennoch empfiehlt die Juristin der Verbraucherzentrale NRW „nicht klein bei zu geben“. Weder Eltern noch Kinder hätten schließlich einen rechtsgültigen Vertrag geschlossen. Weiterhin gelte: Der Inhaber eines Telefons könne nicht für sämtliche über seinen Anschluss getätigten Transaktionen verantwortlich gemacht werden. Wenn Content-Anbieter bewusst drauf verzichteten, ihre Vertragspartner und deren Bevollmächtigung zu prüfen, „haben sie auch das Risiko zu tragen“, sagt Iwona Gromek.
Eltern, die die Auseinandersetzung vor dem weltlichen Kadi nicht scheuen, empfiehlt die Verbraucherjuristin allerdings, im Besitz einer kostenpflichtigen Sonderausstattung zu sein: einer Rechtsschutzversicherung.