Schinken auf der Speisekarte

Das Bayerisches Landesamt fĂŒr Gesundheit und Lebensmittelsicherheit informiert:

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Gerichte wie „Schinkenpizza“, „Bandnudeln mit Schinken-Sahnesauce“ und „Chefsalat mit Schinken, 
“ sind beliebte Speisen und werden in der Gastronomie hĂ€ufig angeboten.

Wird in der Bezeichnung der Speise der Begriff „Schinken“ verwendet, so muss als Zutat tatsĂ€chlich „Schinken“ verwendet werden.

Schinken und Vorderschinken
Neben „Schinken“ gibt es auch „Vorderschinken“. FĂŒr die Herstellung von „Schinken“ und „Vorderschinken“ wird die Muskulatur zunĂ€chst in Form geschnitten, so dass runde oder rechteckige Vorder- bzw. Hinterschinken entstehen. Danach werden die FleischstĂŒcke mit Nitritpökelsalz gepökelt, gegebenenfalls gerĂ€uchert und in Formen oder Folie gegart. Durch das Pökeln bleibt die rosa Fleischfarbe auch nach dem Erhitzen bestehen. Aufgrund der Herstellungsart werden Vorder- und Hinterschinken als „Kochpökelware“ bezeichnet.

Als Schinken dĂŒrfen nur qualitativ hochwertige Produkte aus dem Hinterschenkel des Schweins wie gewachsen (Hinterschinken) bezeichnet werden. Diese Produkte werden als „Schinken“, „Hinterschinken“ oder „Kochschinken“, auch als „Kochhinterschinken“ angeboten. Vorderschinken wird in der gleichen Art und Weise aus dem SchulterstĂŒck des Schweins wie gewachsen hergestellt. Bei Hinter- und Vorderschinken erkennt man die natĂŒrliche Wuchsrichtung der Muskulatur und den natĂŒrlichen Muskelzusammenhang. Beim Vorderschinken ist naturgemĂ€ĂŸ mehr Fett und Bindegewebe enthalten. Hinterschinken dagegen weist bis auf einen eventuell aufliegenden Fettrand kaum Fett und Bindegewebe in der Muskulatur auf. Deshalb wird der Hinterschinken als das höherwertigere Erzeugnis angesehen.

Formfleischerzeugnisse
Neben Hinter- und Vorderschinken gibt es auch Formfleisch-Schinken oder Formfleisch- Vorderschinken. Bei diesen so genannten Formfleischerzeugnissen handelt es sich um Kochpökelwaren, die im Gegensatz zu Hinterschinken und Vorderschinken nicht aus Muskulatur im natĂŒrlichen Muskelverband hergestellt, sondern aus MuskelfleischstĂŒcken zusammengefĂŒgt werden. Bei der Herstellung von Vorder- und Hinterschinken fallen beim Zuschneiden kleinere MuskelfleischstĂŒcke an. Diese werden gepökelt und mechanisch vorbehandelt (Tumbeln). Beim Tumbeln wird die Zellstruktur an der OberflĂ€che gelockert und es tritt Fleischeiweiß aus. Die so bearbeiteten MuskelfleischstĂŒcke werden anschließend in Formen zusammengefĂŒgt und in der gleichen Weise verarbeitet wie Vorder- und Hinterschinken. Das aus den Zellen ausgetretene Eiweiß erstarrt beim Garen und verbindet die MuskelfleischstĂŒckchen miteinander. Somit unterscheiden sich Formfleischerzeugnisse lediglich in ihrer Struktur von Schinken und Vorderschinken, bestehen aber dennoch wie diese hauptsĂ€chlich aus Muskelfleisch.

Bei einem Formfleischerzeugnis sind die GrĂ¶ĂŸe der zusammengefĂŒgten MuskelfleischstĂŒcke und ihre unterschiedliche Muskelfaserrichtung erkennbar.

Damit der Verbraucher ĂŒber die wahre Natur dieser Erzeugnisse nicht getĂ€uscht wird, mĂŒssen geformte Kochpökelwaren entsprechend bezeichnet werden:

„Formfleischvorderschinken aus Vorderschinkenteilen zusammengefĂŒgt“ bzw.
„Formfleisch(hinter)schinken aus (Hinter)schinkenteilen zusammengefĂŒgt“
Dies gilt fĂŒr alle Arten der Abgabe an den Verbraucher, z. B. fĂŒr lose Ware beim Metzger, fĂŒr Fertigpackungen in der Selbstbedienungstheke und fĂŒr Speisen in der Gastronomie. Bei der losen Ware ist die Bezeichnung auf dem Schild an der Ware, bei Fertigpackungen auf der Packung oder auf dem Etikett und in der Gastronomie auf der Speisekarte anzugeben.

Schinken-Ersatz
HĂ€ufig finden in der Gastronomie fĂŒr Pizza, Nudelgerichte oder Salate Erzeugnisse Verwendung, die einen grundlegend anderen Charakter als die oben beschriebenen und abgebildeten Schinken, Vorderschinken und Formfleisch(vorder)schinken aufweisen. Diese oft als „Pizza-Schinken“, „Imitat“ oder „Aliud“ bezeichneten Produkte unterscheiden sich hinsichtlich Aussehen, Geruch, Geschmack und Zusammensetzung gravierend von den Produkten, die sie ersetzen sollen. Daher können die Bezeichnungen Schinken, Vorderschinken und Formfleisch(vorder)schinken fĂŒr diese Erzeugnisse nicht verwendet werden. Trotzdem werden diese Bezeichnungen sehr hĂ€ufig auf der Speisekarte angegeben.

In Deutschland hergestellte Schinken, Vorderschinken und Formfleischerzeugnisse weisen nach allgemeiner Verkehrsauffassung einen Fleischgehalt von mindestens 90 % auf, der Gehalt an fleischfremdem, d. h. ĂŒber die Pökellake zugesetztem Wasser liegt bei maximal 5 %.

Die Produkte, die in der Gastronomie als „Ersatz“ verwendet werden, weisen einen Fleischgehalt zwischen ca. 50 und 80 % auf, vereinzelt auch deutlich unter 50 %. Der durchschnittliche Fleischgehalt liegt bei ca. 60 %. Der niedrige Fleischanteil schlĂ€gt sich in einem geringeren Preis nieder. Dieser ist als Hauptgrund fĂŒr die hĂ€ufige Verwendung der Ersatzprodukte anzusehen.

Der fehlende Fleischgehalt wird einerseits mit Wasser ausgeglichen. So liegt der Gehalt an fleischfremden Wasser bei bis zu 40 % und manchmal auch darĂŒber. Andererseits werden Bindemittel (z. B. StĂ€rke) sowie Gelier- und Verdickungsmittel zugegeben, damit aus der Mischung von FleischstĂŒckchen und Wasser eine schnittfeste Masse entsteht. ZusĂ€tzlich wird noch fleischfremdes Eiweiß wie Soja- und Milcheiweiß zugesetzt. Auch der Einsatz von Eiweißhydrolysaten oder isolierten AminosĂ€uren, wie z. B. Lysin ist verstĂ€rkt zu beobachten.

Die so hergestellten Erzeugnisse bestehen aus einer oft geleeartigen, schnittfesten Masse, in die kleinste bis deutlich sichtbare FleischstĂŒcke eingebettet sind (vgl. Bild 4, 5 und 6). Oft weisen die Produkte auch ein brĂŒhwurstĂ€hnliches Aussehen auf.

Die fĂŒr Schinkenpizza, Salate, Nudelgerichte etc. verwendeten Produkte haben sich nicht immer hinsichtlich ihrer Zusammensetzung so drastisch von Schinken, Vorderschinken und den Formfleischerzeugnissen unterschieden. So sank der durchschnittliche Fleischanteil der auslĂ€ndischen Erzeugnisse seit 1993 von ca. 83 % auf ca. 56 % deutlich ab (siehe Abbildung 1). Inzwischen werden derartige Erzeugnisse auch in Deutschland hergestellt.

Der niedrigste Fleischgehalt im Untersuchungsjahr 2006 lag bei 46 %. Die Produkte wurden von der bayerischen LebensmittelĂŒberwachung aus GaststĂ€tten, Imbissbetrieben und Großhandlungen als amtliche Probe entnommen und im Bayerischen Landesamt fĂŒr Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) untersucht. In dem Maß wie der Fleischanteil sank, nahm der Anteil an zugesetztem, fleischfremdem Wasser und StĂ€rke (Bindemittel) zu.

Die beschriebenen Erzeugnisse unterscheiden sich hinsichtlich Aussehen, Geruch, Geschmack und chemischer Zusammensetzung grundlegend von Schinken, Vorderschinken und Formfleischerzeugnissen. Es handelt sich daher bei diesen Erzeugnissen um Lebensmittel eigener Art.

Damit der Verbraucher derartige Erzeugnisse von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden kann, muss die Bezeichnung den tatsĂ€chlichen Charakter der Produkte hinÂŹreichend genau beschreiben. Die Bezeichnungen „(Koch-)Schinken“, „Vorderschinken“ oder „Formfleisch(vorder)schinken“ können daher auch in Wortverbindungen nicht verwendet werden.

Als Bezeichnung kann z. B. „Pizzabelag aus gepökeltem Schulterfleisch“ verwendet werden, die mit Beschreibungen, wie z. B. â€žĂŒberwiegend fein zerkleinert“ ergĂ€nzt wird.

In der Gastronomie sind Gerichte, fĂŒr die die beschriebenen Erzeugnisse als Zutaten verwendet werden, auf der Speisekarte ebenfalls entsprechend zu bezeichnen. Angaben wie „Schinkenpizza“, „Salat mit Schinken“ oder “Schinkennudeln“ sind nicht möglich.

Fakten zum Thema „Schinken-Ersatz“
Schinken-Ersatzprodukte werden in der Gastronomie sehr hÀufig verwendet.
Als Grund fĂŒr ihre Verwendung wird hĂ€ufig angegeben, dass sich die Scheiben auf der Pizza beim Backen nicht nach oben wölben und somit keine verbrannten Spitzen entstehen. Der Verbraucher wĂŒrde dies ablehnen.
TatsĂ€chlich sind die Imitate preisgĂŒnstig. Dies dĂŒrfte der Hauptgrund fĂŒr die hĂ€ufige Verwendung in der Gastronomie sein.
Es gibt Hersteller von „Schinken-Ersatz“, die die Produkte korrekt bezeichnen.
Hersteller, die unzutreffende Bezeichnungen wie „Vorderschinken“, „Formfleischvorderschinken“ verwenden, ĂŒberwiegen jedoch deutlich.
Auch wenn Hersteller von „Schinken-Ersatz“ eine zutreffende Bezeichnung auf der Originalpackung angeben, wird in der Gastronomie aus einem „Pizzabelag aus Vorderschinkenteilen nach BrĂŒhwurstart zusammengefĂŒgt“ oft ein „Vorderschinken“.
Bereits das Aussehen der Imitate ermöglicht sehr hĂ€ufig eine Unterscheidung von Schinken, Vorderschinken und Formfleischerzeugnissen (vgl. Abbildungen). Auch wenn die Bezeichnung auf der Originalpackung nicht zutreffend ist, ist es fĂŒr den Gastwirt dennoch möglich, ein Imitat zu erkennen. Neben Aussehen, Geschmack und Geruch ist auch der niedrigere Preis ein Hinweis auf die tatsĂ€chliche Art des Erzeugnisses.
Die Beanstandungsquote im Bayerischen Landesamt fĂŒr Gesundheit und Lebensmittelsicherheit lag im Jahr 2006 fĂŒr auslĂ€ndische Schinken-Ersatzprodukte bei 85 %.
Es gibt vermehrt deutsche Hersteller, die derartige Erzeugnisse anbieten. Auch diese sind nur in AusnahmefÀllen korrekt bezeichnet.

Fazit
In der Gastronomie werden hĂ€ufig Schinken-Ersatz-Produkte verwendet, die auf der Originalpackung ĂŒberwiegend nicht korrekt bezeichnet werden, meistens als „Vorderschinken aus Vorderschinkenteilen zusammengefĂŒgt“. Auf Speisekarten werden die Schinken-Ersatzprodukte ebenso unzutreffend als Formfleisch(vorder)schinken oder sogar als Schinken bzw. Vorderschinken bezeichnet, obwohl in den meisten FĂ€llen erkennbar ist, dass es sich nicht um diese Erzeugnisse handelt. Um die Verbraucher vor TĂ€uschung zu schĂŒtzen, ist die lebensmittelrechtliche Beurteilung von Schinken-Ersatzprodukten und deren Kennzeichnung auf der Originalpackung und auf Speisekarten weiterhin ein Untersuchungsschwerpunkt.

2 comments
  1. Wie kann es eine Frau Aigner wissentlich zulassen, dass die großen Hersteller ihre Produkte ohne korrekte Kennzeichnung in den Verkauf bringen können?
    Der Tatbestand ist bekannt und es wird nicht ausreichend gagegen vorgegangen. Warum? Angst vor den RechtsanwÀlten im Hintergrund??
    Einfacher ist es natĂŒrlich von den Gastronomen zu verlangen , die falsche Kennzeichnung richtig zustellen und wenn es nicht klappt, diese zur Kasse zubitten.
    Dieses System ist doch krank!

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