Rückruf A6 / A7 – 200 kw 6 Zylinder-Diesel – Die technischen Hintergründe

Moderne Abgasanlagen - hier ein Blick unter einen Porsche - tragen aufwändige Technik zusammen, die durch die Motorsteuerung geregelt wird.

„Laut Audi wirkt sich die neue Software weder auf Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionswerte und Motorleistung noch auf Geräuschemissionen oder die Haltbarkeit des Motors aus.“ Das abschließende Detail der Pressemitteilung aus Ingolstadt geht im allgemeinen Trubel rund um die Ankündigung der ersten 31.500 Rückrufe für Audi A6 und Audi A7 der Schadstoffklasse 6 mit dem 200 KW-Dieselmotor mit SCR-Katalysator (AdBlue-Beimischung) etwas unter. Kaum jemand macht sich die Mühe, diese als reine Werbebotschaft klar erkennbare Note mal wirklich konkret auf ihre Aussagekraft zu untersuchen und das Paradox zu erkennen, dass sich hinter dem Festhalten an der SCR-Technik und der angeblich stimmigen Rechtfertigung der Updates verbirgt.

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Ein Mitglied der IG Dieselskandal, selbst A6-Fahrer und Teil der Entwicklergemeinde, konnte es kaum glauben: „Hat AUDI das wirklich so gesagt?“ Was den Experten stutzig macht wird einem normalerweise nur in hoch technisiertem Expertendeutsch vorgetragen – der Sachverhalt ist aber grundsätzlich einfach und verständlich.

Wie wurde überhaupt manipuliert?

Zum einen muss klar sein, welche Art von Abschaltvorrichtung überhaupt verbaut war. Wenn der SCR-Katalysator nach dem Software-Update im realen Straßenbetrieb öfter oder wie verlangt durchgehend arbeitet, kommt es nach einem korrigierenden Update unter Umständen zu einem höheren Dieselverbrauch und damit zu höheren CO2 Emissionen. Bei einigen A6-Modellen ist der Katalysator im Unterboden verbaut und damit recht weit entfernt vom Motor. Je weiter der SCR vom Motor entfernt ist, desto höher wird der Dieselverbrauch – das ist chemisch/physikalisch unumstößlich.

Unterschiedliche Bauweisen und Bauteilpositionierungen erklären auch die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Rückrufaktionen: 151.000 A6 und A7 werden in insgesamt 8 unterschiedlichen Aktionen zurückgerufen. Kein Software-Update wird dem anderen gleichen.

Einfache Abschaltung der Anlage
Wenn die illegale Abschaltvorrichtung den SCR-Katalysator außerhalb des Prüfstandes einfach abschaltet, dann kommt es mit dem Update zwangsläufig zu höherem Dieselverbrauch und damit zu steigenden Co2-Werten, wenn das Modul wie vorgeschrieben durchläuft. Der Motor muss nämlich in solchen Betriebsphasen durch Anfetten und/oder durch eine Nockenwellenverstellung eine Nachverbrennung in der Abgasanlage erzwingen, um ein ideales Temperaturfenster für die optimale Reduktion von NOx im SCR zu erzeugen. Unsere Meinung: Das kann und wird Einflüsse auf Diesel-Verbrauch und Adblue-Verbrauch haben!

Komplexe Steuerung der Abgasanlage
Hat die unzulässige Software die Reduktion des NOx nicht nur an/ausschaltet, sondern optimierend gesteuertsteuert, dann wäre nach einem Update in bestimmten Betriebsphase auch die Motorleistung zwangsläufig reduziert, weil der Motor auf veränderte Betriebsstoffzufuhr und variierende Gemische reagiert – das zum Thema Leistungsverlust und veränderter Performance.

Volllast oder Teillast?

Egal nach welchem der beiden Modelle die manipulierte Software agiert hat: Man muss in beiden Fällen zwischen normalem Betrieb und Volllast unterscheiden.

Unter Volllast entsteht beim Dieselmotor grundsätzlich so viel NOx, dass der SCR das gar nicht speichern kann. Niemand – auch die Entwickler der Technik – streitet das ab.

Unter Umständen verändert sich die Leistung hier nicht, aber wir haben immer noch – also auch nach dem Update – das Problem des zu hohen Schadstoff-Ausstoßes, was einmal mehr die Unzulänglichkeit des SCR-Systems und der bisherigen Prüfmethode (Teillast bei 20 Grad) definiert .

Allerdings: Wer Diesel fährt, der hat die Kaufentscheidung aufgrund der großen Einsparpotentiale im Teillastbetrieb getroffen und hier offenbart sich nicht nur die Stärke des Diesels, sondern auch die wahre Schwäche des SCR-Speicherkatalysators. Genau in diesen Betriebsphasen, wo man in der Regel sowieso langsam unterwegs ist, wird nach dem Software-Update der SCR-Kat vermehrt zum Einsatz kommen. Wenn es nach der Vorschrift geht sogar unterbrechungsfrei.

Folgen der Deaktivierung des „Thermischen Fensters“

Problem: Leider ist das Abgas im Teillastbetrieb auch kälter, weshalb der Motor öfter mal die beschriebene „Nachverbrennung“ in der Abgasanlage erzwingen muss wegen der Anforderungen an die Betriebstemperatur der Anlage bzw. des Abgases (Temperaturfenster). Eine Abgasanlage kann nur in einem bestimmten Temperaturfenster funktionieren und Bauteile schonend arbeiten lassen. Wird die Anlage zu heiß, muss die Anlage abgeschaltet werden – dies ist übrigens auf Basis einer EU-Verordnung ( EU-Verordnung 715/2007 ) zum Bauteileschutz zulässig. Ist die Anlage zu kalt, funktioniert der Katalysator nicht. Viele Hersteller verstecken sich hinter der EU-Verordnung. Die komplette Abwehrargumentation von Daimler – übrigens auch in der Schadstoffklasse 5 – beschränkt sich auf diese „Ausnahmeregel“. Fakt ist: Bauteile laufen zunehmend zu kalt oder überhitzen, was sich nachteilig auf die Lebensdauer und die Reparaturanfälligkeit auswirken muss.

Höherer Spritverbrauch im optimalen Teillastbereich

Das alles bedeutet zwangsläufig zusätzlichen Spritverbrauch unter Teillast. Kaum zu glauben: Unter Teillast wird Diesel nicht allein für die Fahrleistung verbrannt, sondern um Wärme für den SCR zu liefern, und zwar nur in Betriebsphasen, in denen man weniger Leistung abfordert, also in der Königsdisziplin des Diesels, nämlich beim spritsparenden Fahren.

Es stellen sich da einige für die Softwareentwickler unter Umständen peinliche Fragen: Was ist bei niedrigen Temperaturen? Welche Ergebnisse bringen Tests unter RDE-Bedingungen?

Arbeitet das SCR überhaupt bei niedrigen Temperatuiren?

Unser Experte geht nicht davon aus, dass das SCR auch bei niedrigen Temperaturen funktionieren kann, ohne dass das auf Kosten der Sparsamkeit geht: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die OEMs (die Software-Hersteller und Entwickler) das bei niedrigen Außentemperaturen ohne Mehrverbrauch hinbekommen. Arbeitet das SCR überhaupt bei niedrigen Temperaturen?“

Das KBA hilft nicht wirklich bei der Aufklärung

Und wieder kommen die Kontrollbehörden ins Spiel: Hat das KBA vorgeschrieben, dass auch die Emissionen bei Wintertemperaturen gemessen werden? Stichwort: „erschwerte Bedingungen im RDE“?

Vermutlich nicht. Wahrscheinlich wird nur der alte NEFZ- Zyklus auf der Straße bei 20°Außentemperatur nachgefahren. Das hätte dann gar nichts mit dem neu definierten RDE zu tun! Aber, es könnte dann sogar stimmen, dass kein Mehrverbrauch da ist – logisch, wenn das System abgeschaltet ist…

Kritiker fragen sich: Was bringt denn dann das ganze Update-Getöse? Das Kraftfahrtbundesamt könnte Antworten liefern. Die dazu notwendige Transparenz fehlt. Mehr noch: Sollten KBA-Mitarbeiter als Zeugen geladen werden ist fest davon auszugehen, dass ihnen vom Dienstherrn ein Schweigegebot auferlegt wird.

Schutz der Bauteile in Gefahr?

Die Alterung bzw. Abnutzung aller beteiligten Einrichtungen wird auf jeden Fall ein ernst zu nehmendes Argument für einen weiterhin vorhandenen Mangel sein . Allen voran wird die Lebenserwartung der SCR-Katalysators entscheidend verringert – mit finanziellen Folgen für die Eigentümer solcher Fahrzeuge. Prognostiziertew Lebenserwartungen von mehr als 300.000 Kilometer sind mit einem Abgassystem, das nachträglich auf Grenzwert-Einhaltung gepimpt wurden, nicht zu machen.

Sollte bei einer Umstellung der Software auch die AGR-Rate erhöht werden – also die Öffnungs- und Schließ-Aktivität des Abgasrückführ-Ventils – dann stellen sich die selben und hier sehr unerfreulichen Verhältnisse wie bei den Updates der EURO 5 Fahrzeuge ein. Z.B. T5-Fahrer können ein Lied davon singen.

Da geht es in erster Linie um die bekannte Versottung der kompletten (Hochdruck-) AGR Anlage. Die IG Dieselskandal ist überzeugt: „Bei Volkswagen mit den zusätzlichen Niederdruck-AGRs und einer Klappensteuerung im Unterboden hat das wahrscheinlich außer auf dem Prüfstand sowieso nie optimal funktioniert.“

Weitere Details wären zu prüfen, z.B. was mit der Rußansammlung im Partikelfilter passiert.

Das Risiko trägt allein der Verbraucher

Ein nicht zu vernachlässigender Effekt ist die Verträglichkeit der Updatefolgen mit der bisherigen Motorcharakteristik. Autos wie der A6 haben sich vor der ersten Zulassung 300.000-Kilometer-Tests unterziehen müssen unter den extremsten Bedingungen. Mit der neu konfigurierten Motorsteuerung gibt es keinerlei Erkenntnisse zur Lebenserwartung des Motors. Von Zuverlässigkeit zeugende Test wurden nicht durchgeführt – das Risiko wird auf den Verbraucher abgewälzt.

Udo Schmallenberg Schmallenberg Schmallenberg von der IG Dieselskandal: „Das Problem der Update-Folgen ist hinlänglich bekannt, auch wenn dieses Detail vor deutschen Landgerichten kaum eine relevante Bedeutung hat, weil es die eigentlichen Betrugsvorwürfe gegen den Hersteller der Motoren ansatzweise nicht tangiert. Aber diese Updatefolgen sind doch ein Argument bei der Entscheidung, wie Eigentümer solcher Fahrzeuge grundsätzlich mit der Dieselskandal-Thematik umgehen.“

VIII ZR 66/17 : Funktionalitätvon Updates muss nachgewiesen werden

Der Bundesgerichtshof hat übrigens im September zum Aktenzeichen VIII ZR 66/17 die Entscheidung über eine interessante Mangeldefinition wieder an die erste Instanz zurückgegeben, Hier ging es um einen vermeintlich abgeschalteten Warnhinweis zur Überhitzung der Kupplung. Der Kläger nahm für sich in Anspruch, nicht erkennen zu können, ob der Schaden wirklich behoben oder nur der Warnhinweis deaktiviert wurde – und bekam Recht: Aus seiner Sicht ist der Mangel immer noch vorhanden. Übertragen auf den Dieselskandal beutet das eigentlich, dass AUDI als Beklagte in einem Verfahren um vorsätzliche Sittenwidrige Täüuschung nicht auf die Funktionalität eines Updates verweisen kann, sondern dessen wirksamkeit auch nachweisen können muss.

Allerdings: In den bisherigen urteilen zur Schadstoffklasse 6 wurde dem Thema Updates nicht viel Raum gegeben. Das sittenwidrige Verhalten der Beklagten löse einen Schadensersatzanspruch von Anfang an. Dieser wird im Laufe der Zeit durch ein Update nicht entkräftet.

Fakt ist: Die aktuellen AUDI-Rückrufe sind Zwangsrückrufe. Wer sie nicht durchführen lässt, der riskiert Zwangsstillegungen. Wer sein Auto behalten will muss sich also zwischen Pest und Cholera entscheiden.

Interessante Urteile zur SCR-Thematik / Schadstoffklasse 6

3 comments
  1. Habe nach dem Update erheblichen Leistungseinbruch und einen Mehrverbrauch von ca.10%.
    Habe dies mehrfach bei Audi reklamiert. Aber Audi sitzt auf einem so hohen Ross das es einem übel werden kann. Selbst als ich denen mein Leistungsdiagramm vorher und nachher zukommen ließ, wobei mein Fahrzeug 20 PS uns 30 Newtonmetern weniger hat als vorher, war die Antwort auf gut Deutsch: Arschkarte, selber Schuld. Nach 3 Passat Variant und nun den 3. Audi mit 4,2 und 2 3.0TDI überlege ich mir ob ich nicht doch mal auf einen Franzosen umsteigen soll.

  2. Ich fahre einen A6 AVANT mit o.g. 200kg 6 Zylinder-Diesel mit EZ 04/2017.
    Am 03.01. wurde bei mir eine neue Software aufgespielt. Ich bin seither ca. 2000 KM gefahren mit nachfolgenden Ergebnissen: Verbrauch ca. 0,3-0,5 Liter auf 100 KM höher. Leistungs- und Drehmomentverlust sind spürbar im betriebswarmen Zustand. So lange der Motor noch kalt ist, fühlt sich die Leistung wie vor dem Update an. Verbrennungsgeräusche sind weniger „kernig“ – Auto macht deutlich weniger Freude !!!

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