BGH: Persönlichkeitsrecht einer Minderjährigen geht vor Meinungsfreiheit

Minderjährige haben das Recht auf eine ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung. Dahinter müssen auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf Meinungsfreiheit zurückstehen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15. September 2015 (VI ZR 175/14).

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„Auf den ersten Blick ist die Rechtsprechung des BGH nicht überraschend. Aber dem Urteil liegt ein brisanter Fall und Streit einer Lehrerin mit der Mutter einer Schülerin zu Grunde, der auch in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde. Dadurch gewinnt das Urteil an Bedeutung“, so Rechtsanwalt Michael Horak aus Hannover.

Nach ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst hatte die ehemalige Grundschullehrerin 2012 ein Buch veröffentlicht. Darin schilderte sie unter volle Namensnennung auch den Fall der jetzt klagenden minderjährigen Schülerin. Die Zweitklässlerin kam nach Umzug an ihre neue Grundschule und sollte probeweise eine Klasse überspringen und am Unterricht des dritten Schuljahres teilnehmen. Ihre Klassenlehrerin war die jetzt Beklagte. Diese entschied, dass das Kind für das dritte Schuljahr noch nicht geeignet war und sorgte für die Rückversetzung in die zweite Klasse. Auf Initiative der Mutter machte der Fall Schlagzeilen in den Gazetten – auch unter Namensnennung der Lehrerin.

In ihrem Buch über „Missstände im Schulsystem“ verarbeitete die ehemalige Lehrerin auch diese Vorkommnisse. Sie bezeichnete die Schülerin unter voller Namensnennung u.a. als „Pseudo-Hochbegabte und Möchtegernüberspringerin“. Die Schülerin klagte daraufhin u.a. auf Unterlassung. Das OLG Köln wies ihre Klage zwar noch ab, doch der BGH gab der Klage statt. Die Berichterstattung in dem Buch verletzte die Persönlichkeitsrechte der Schülerin auch im Hinblick auf das spezielle Schutzbedürfnis von Kinder. Die Karlsruher Richter führten u.a. aus, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, da sie sich erst noch zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen. Diese Persönlichkeitsentfaltung könne durch die Veröffentlichung privater Angelegenheiten empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen. Jedes Kind habe aber das Recht auf die ungehinderte Entwicklung der Persönlichkeit.

Dieses besondere Schutzbedürfnis sei auch nicht dadurch beeinträchtigt worden, dass die Mutter dafür gesorgt hatte, dass die Presse über den Fall berichtet hatte. Denn Details zum Leistungsstand und Sozialverhalten des Mädchens waren in den Berichten nicht thematisiert worden. Darüber hinaus hätte die Lehrerin den Fall nach Ansicht des BGH in ihrem Buch auch schildern können, ohne die Identität der Schülerin zu nennen. Daher stehe der Klägerin der Anspruch auf Unterlassung zu.

 

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