Zum zweiten Swap-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.01.2015

Ausgangssituation: Mit Urteil vom 20.01.2015 hat der Bundesgerichtshof die Revision eines Kunden gegen ein klageabweisendes Urteil des Oberlandesgerichts NĂŒrnberg zurĂŒckgewiesen. Der Kunde hatte SchadensersatzansprĂŒche im Zusammenhang mit dem Abschluss eines sog. Cross-Currency-Swaps geltend gemacht. Nach dem aufsehenerregenden Swap-Urteil vom 22.03.2011 ist das aktuelle Urteil erst die zweite Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Swap-FĂ€llen. Die in Finanzkreisen mit großer Spannung erwartete BegrĂŒndung liegt nun vor. Im Ergebnis bleibt der Bundesgerichtshof bei seiner Swap-Rechtsprechung. DarĂŒber hinaus konkretisiert er die AufklĂ€rungspflichten bei Swap-VertrĂ€gen. Im Einzelnen lassen sich fĂŒnf konkrete Feststellungen ableiten:

Rechtsanwalt zu diesem Thema finden

Hier einen Rechtsanwalt zu diesem Thema finden

Verbraucherschutz.tv kooperiert deutschlandweit mit vielen kompetenten RechtsanwÀlten auch aus Ihrer Region. Sie sind Anwalt und möchten hier veröffentlichen? Bitte Mail an usch@talking-text.de

1. Feststellung: ErgÀnzende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Wegen des klageabweisenden Inhalts des Urteils vom 20.01.2015 war von Bankenvertretern nach VerkĂŒndung des Urteils unter Bezugnahme auf die am 20.01.2015 herausgegebene Pressemittelung eine Abkehr von der bisherigen Swap-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 22.03.2011 suggeriert worden. Das trifft nicht zu. Bereits aus dem Klammerzusatz zum Leitsatz des Urteils ergibt sich, dass es sich um eine ErgĂ€nzung und damit um eine Weiterentwicklung, nicht um eine Abkehr von den Feststellungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.03.2011 handelt.

2. Feststellung: Hohe Anforderungen an die Beratung von Swap-VertrÀgen

Zwischen Bank und Kunde kommt nach stĂ€ndiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beratungsvertrag zustande, so auch bei der Beratung und Empfehlung von Swap-Produkten. Daraus folgt die Pflicht der Bank zur sog. anleger- und objektgerechten Beratung. Die konkrete Ausgestaltung dieser Beratungspflicht erfolgt immer einzelfallbezogen. GrundsĂ€tzlich sind – wie bei dem Spread-Ladder-Swap aus dem Urteil vom 22.03.2011 – hohe Anforderungen an die AufklĂ€rung zu stellen. Nach den tatrichterlichen Feststellungen der Instanzgerichte (Landgericht NĂŒrnberg und Oberlandesgericht NĂŒrnberg), an die der Bundesgerichtshof grundsĂ€tzlich gebunden ist, hatte die beratende Sparkasse im jetzt entschiedenen Einzelfall ihre Pflichten erfĂŒllt.

3. Feststellung: EigenstĂ€ndige Pflicht zur AufklĂ€rung ĂŒber Interessenkonflikte

Der Bundesgerichtshof zitiert umfassend aus seinem Urteil vom 22.03.2011 und stellt insofern den Inhalt dieses Urteils nicht infrage. Vielmehr wiederholt der Bundesgerichtshof damit, dass sich eine Bank, die einerseits Vertragspartnerin des Swap-Vertrags mit dem Kunden und andererseits zugleich dessen Beraterin ist, in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt befindet. Über diesen Konflikt hat sie durch Offenbarung des anfĂ€nglichen negativen Marktwerts aufzuklĂ€ren. Diese eigenstĂ€ndige AufklĂ€rungspflicht wird durch die ausfĂŒhrliche Bezugnahme auf das Urteil vom 22.03.2011 also manifestiert (und nicht etwa aufgehoben, wie nach der Pressemitteilung vom 20.01.2015 gemutmaßt wurde). Eine auf diesen Grundsatz basierende Pflichtverletzung wurde vom Bundesgerichtshof allein deshalb nicht angenommen, weil dem Urteil vom 20.01.2015 eine andere Fallgestaltung zugrunde lag.

4. Feststellung: Unzureichender Sachvortrag in den ersten beiden Instanzen

Das Berufungsgericht (Oberlandesgericht NĂŒrnberg) hatte in seinem Urteil Feststellungen getroffen, die vom Bundesgerichtshof einerseits nur eingeschrĂ€nkt ĂŒberprĂŒft werden können. Andererseits waren vom KlĂ€ger im Revisionsverfahren Fehler gar nicht erst aufgezeigt worden. Die grundsĂ€tzlich bestehende bessere Erkenntnismöglichkeiten der beratenden Sparkasse zu Entwicklung der dem Cross-Currency-Swap zugrunde gelegten WĂ€hrungen (Wissensvorsprung) war vom KlĂ€ger in den Vorinstanzen nicht dargestellt worden. Auch weitere Beratungspflichtverletzungen sind nicht vorgebracht worden. Besonders auffĂ€llig ist, dass eine aus zahlreichen Analysen von anderen Cross-Currency-Swaps mittlerweile allgemein bekannte Unausgewogenheit des Chance-/Risikoprofils vom KlĂ€ger nicht einmal konkret dargestellt  und deswegen auch nicht darĂŒber entschieden wurde.

5. Feststellung: AufklĂ€rungspflicht ĂŒber den negativen Marktwert

In ErgĂ€nzung zum Urteil vom 22.03.2011 (siehe 1. Feststellung), statuiert der Bundesgerichtshof nun, dass neben der eigenstĂ€ndigen Pflicht zur Offenlegung des anfĂ€nglichen negativen Marktwerts bei bestehenden schwerwiegenden Interessenkonflikten (siehe 3. Feststellung) im Rahmen der sog. objektgerechten Beratung nicht per se ĂŒber einen negativen Marktwert zu informieren ist. Da der KlĂ€ger nicht substantiiert behauptet hatte, dass die Gewinnchancen und damit die Werthaltigkeit des Cross-Currency-Swaps durch ĂŒbermĂ€ĂŸige Kosten- und Gewinnanteile beeintrĂ€chtigt worden war, konnte auch insofern keine Feststellungen dazu vom Bundesgerichtshof getroffen werden. Auch bei Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur AufklĂ€rung und Beratung beim Vertrieb von Terminoptionen ließe sich nicht grundsĂ€tzlich eine AufklĂ€rungspflicht ĂŒber den negativen Marktwert ableiten, sondern nur dann, wenn erhobene AufschlĂ€ge geeignet wĂ€ren, den Gewinn zu einem erheblichen Anteil aufzuzehren und die Gewinnchancen damit erheblich zu beeintrĂ€chtigen. Dies ist der Maßstab, an dem eine AufklĂ€rungspflicht ansetzt.

Fazit

Die Pflicht zur AufklĂ€rung ĂŒber schwerwiegende Interessenkonflikte durch Offenlegung eines anfĂ€nglichen negativen Marktwerts (allerdings nur bei entsprechender Fallgestaltung) bleibt vom Bundesgerichtshof unangetastet. Werden durch die Einstrukturierung von ĂŒbermĂ€ĂŸigen Kosten- und Gewinnbestandteilen die Gewinnchancen und damit die Werthaltigkeit des Swaps beeintrĂ€chtigt, ist dies vom Kunden substantiiert vorzutragen (unabhĂ€ngig von einem schwerwiegenden Interessenkonflikt). Dann wird im Rahmen der objektgerechten Beratung zu prĂŒfen sein, ob ĂŒber den daraus resultierenden anfĂ€nglichen negativen Marktwert aufgeklĂ€rt werden muss.

Ab welcher Höhe ĂŒbermĂ€ĂŸige Kosten- und Gewinnbestandteile die Werthaltigkeit eines Swaps beeintrĂ€chtigen, bleibt der weiteren Entwicklung der Swap-Rechtsprechung vorbehalten.

 

Weitere Informationen unter http://www.roessner.de/swaps-derivate

 

oder bei

 

Dr. Jochen Weck

weck@roessner.de

Tel.: 089/99 89 22 – 0

 

 

 

Add a comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darĂŒber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.