Vielfach erreichen uns Beschwerden und Mitteilungen über den Umgang von Telekommunikationsunternehmen mit Kunden und Verbrauchern. Besonders fällt insoweit das Unternehmen 1&1 Internet AG auf. Dieses Unternehmen macht nicht nur durch seine umfangreiche Werbung von sich reden, sondern auch durch seine meist sehr verbraucherunfreundliche Auslegung von Verträgen und den deutschen Gesetzen. Sowohl bei den Verbraucherschutzzentralen als auch bei Rechtsanwälten häufen sich die Beschwerden über dieses Unternehmen. Auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender haben sich mit dem Unternehmen bereits auseinandergesetzt, letztmalig in der Sendung Frontal21 vom 21.03.2009 im ZDF.
Herr Rechtsanwalt Andrej Greif von der Kanzlei Rechtsanwälte Schulze & Greif Partnerschaftsgesellschaft aus Chemnitz betreut eine Vielzahl von Mandanten in Verfahren gegen verschiedene Telekommunikationsunternehmen. Aus diesem Grund haben wir mit Herrn Rechtsanwalt Andrej Greif das folgende Interview geführt.
Verbraucherschutz.tv: In einer Vielzahl von Internetforen kann man lesen, dass die 1&1 Internet AG ihre Kunden bzw. den Verbraucher nicht ernst nimmt. Wie ist diese Aussage zu bewerten?
Rechtsanwalt Greif: Im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmen auf Anfragen bzw. Stellungnahmen ihrer Kunden bzw. betroffener Verbraucher grundsätzlich mit Standardschreiben reagieren. Auf das konkrete Problem wird in der Regel nicht eingegangen. Dies scheint offensichtlich auch nicht beabsichtigt zu sein. Nach meinen bisherigen Erfahrungen wird der Kunde lediglich hingehalten oder vertröstet. Lösungen werden dagegen nicht gefunden.
Auch viele der eingerichteten Info- oder Beratungshotlines hat den von mir betreuten Verbrauchern letztendlich nur unnötige zusätzliche Kosten beschert. Einen kompetenten Ansprechpartner fanden die Betroffenen bei dieser Hotline grundsätzlich nicht. Letztendlich wird der Verbraucher damit vertröstet, dass er seine Ansprüche und Forderungen schriftlich geltend machen soll. Kommt der Verbraucher diesem Hinweis nach, erhält er wiederum meist eine Standard-E-Mail.
Verbraucherschutz.tv: Gibt es eine bestimmte Vorgehensweise dieser Unternehmen?
Rechtsanwalt Greif: Eine gewisse Methode lässt sich durchaus erkennen. Die von mir bislang betreuten Fälle liefen alle nach einem ähnlichen Muster ab. Zunächst wird vehement der Vertragsabschluss via Internet behauptet. Auf Argumente Seitens des Verbrauchers wird grundsätzlich nicht eingegangen. Fristgemäße erklärte Widerrufe werde ignoriert. Anschließend werden die betroffenen Verbraucher mit einer Vielzahl von Rechnungen überhäuft, die sie meist nur per E-Mail erhalten. Auf diese Rechnungen folgen meist Mahnungen. Letztes Druckmittel ist dann die Einschaltung eines Inkassounternehmens. In einer Vielzahl von Fällen geben die Verbraucher – meist zu Unrecht – den Forderungen dieser Inkassounternehmen nach und zahlen die behaupteten Forderungen.
Verbraucherschutz.tv: Zentrales Problem scheint zu sein, dass insbesondere die 1&1 Internet AG bei Vertragsabschlüssen im Internet das Widerrufsrecht für Verbraucher ausschließt bzw. für erloschen erklärt. Wie ist diese Vorgehensweise zu bewerten?
Rechtsanwalt Greif: Für Vertragsabschlüsse im Internet gelten grundsätzlich die Regeln über Fernabsatzverträge. Diese Regelungen finden sich in den §§ 312 b ff. BGB. Der Verbraucher kann solche Verträge in der Regel innerhalb von zwei Wochen widerrufen. In der Mehrzahl stützt sich die 1&1 Internet AG darauf, dass es sich bei den von ihr verkauften Produkten um Dienstleistungen handelt. Für sogenannte Dienstleistungsverträge enthalten die Regelungen zum Fernabsatzgesetz im BGB eine Ausnahme. So kann das Widerrufsrecht des Verbrauchers gemäß § 312 d Abs. 3 Ziff. 2 BGB dann erlöschen, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat.
Viele Juristen und mittlerweile auch von einigen Gerichten, wie zum Beispiel das Amtsgericht Hamburg vertreten jedoch eine andere Ansicht. Danach handelt es sich insbesondere bei einem DSL-Vertrag, gerade nicht um eine Dienstleistung. Der von der 1&1 Internet AG viel und gern zitierte § 312 d Abs. 3 BGB findet daher grundsätzlich keine Anwendung. Diese Tatsache ignoriert die 1&1 Internet AG jedoch nach meinen Erfahrungen fast immer.
Verbraucherschutz.tv: Neben dem bereits angesprochenen Widerrufsrecht soll es auch vermehrt Probleme bei der Kündigung der mit der 1&1 Internet AG geschlossenen Verträge geben. Welche Erfahrungen konnten Sie bei Kündigungen eines 1&1 Internet AG Vertrages nach Ablauf der Vertragslaufzeit machen?
Rechtsanwalt Greif: Mir sind Fälle bekannt, in denen Kunden davon ausgegangen waren, ihr Vertragsverhältnis mit der 1&1 Internet AG ordnungsgemäß beendet zu haben. Für die Vertragsbeendigung stellt die 1&1 Internet AG auf ihrer Internetplattform ein Kündigungsformular zur Verfügung. Der Kunde muss dieses Formular online ausfüllen, ausdrucken und dann per Fax an die 1 & 1 Internet AG senden. In dem Formular weist die
1 & 1 Internet AG darauf hin, dass allein dieses Formular als Kündigung akzeptiert wird. Eigene Ergänzungen oder Anmerkungen sind auf dem Formular nicht möglich. Im Zusammenhang mit der Kündigung hat die 1 & 1 Internet AG in den von mir betreuten Fällen dann behauptet, der Kunde habe zwei Verträge abgeschlossen, z. B. einen DSL-Vertrag und zusätzlich ein meist kostenfreies Entertainmentpaket. Die Seite der 1&1 Internet AG ist jedoch so aufgebaut, dass der Kunde als erstes auf die Kündigung des kostenfreien Entertainmentpakets verwiesen wird. Es ist nicht sofort erkennbar, welchen Vertrag der Verbraucher letztendlich kündigt. In der Mehrzahl der Fälle war es den Kunden auch nicht bekannt, überhaupt einen derartigen zusätzlichen bzw. vom eigentlichen Vertrag getrennten Entertainmentvertrag geschlossen zu haben. Nach Ablauf der Kündigungsfrist berief sich die 1&1 Internet AG dann darauf, dass der Hauptvertrag nicht beendet worden sei und sich damit um weitere 12 Monate verlängere. Der kostenfreie Entertainmentvertrag hingegen sei wirksam gekündigt worden. Auch diese Vorgehensweise halte ich für sehr fraglich. Letztendlich muss immer geprüft werden, was für Verträge der Kunde tatsächlich abgeschlossen hat. Teilweise ist es der 1&1 Internet AG nicht möglich, nachzuweisen, dass tatsächlich zwei rechtlich selbständige Verträge abgeschlossen wurden.
Verbraucherschutz.tv: Können sich Verbraucher auch ohne einen Rechtsanwalt gegen die zum Teil unberechtigten Forderungen dieser Unternehmen zu Wehr setzen?
Rechtsanwalt Greif: Eine Vielzahl unserer Mandanten hat zunächst versucht, ohne Einschaltung eines Rechtsbeistandes die Forderungen abzuwehren. Meist sind hierdurch jedoch ohne einen nennenswerten Erfolg lediglich zusätzliche Kosten durch die Infohotline oder teures Porto entstanden. Eine Lösung des Problems konnte jedoch grundsätzlich nicht erreicht werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die 1&1 Internet AG letztlich nur auf anwaltliche Schreiben reagiert. Mit Hilfe eines derartigen anwaltlichen Schreibens konnten wir auch in der Mehrzahl der von uns betreuten Fälle eine Vertragsauflösung bzw. eine Stornierung des von der 1&1 Internet AG behaupteten Vertragsverhältnisses für unsere Mandanten erreichen.
Verbraucherschutz.tv: Vielen Dank für das Interview
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